Die Pfeiler des Glaubens
Liegenschaften der Krone zufallen. Alles andere gehört mir.«
»Laut Erlass«, wies der Mann sie schroff zurecht, während der Büttel mit lüsternem Blick einen weißen Spitzenunterrock gegen das Licht hielt, »dürfen die Morisken ihr Hab und Gut mitnehmen. Wenn dein Mann das nicht getan hat, dann …«
»Aber die Kleider gehören mir«, protestierte sie.
»Ich gehe davon aus, dass du diese Ehe ohne Mitgift eingegangen bist, oder?«, hielt ihr der Notar entgegen. Unbeirrt listete er den Unterrock in seinen Akten auf. »Du hast also keinen eigenen Besitz«, stellte er trocken fest. »Der Rat oder ein Richter werden über die Eigentümerschaft entscheiden.«
»Aber sie gehören mir«, versicherte Rafaela mit dünner Stimme.
In dem Moment nahm der Büttel ein zartes, ärmelloses Mieder in die Hand und hielt es in Rafaelas Richtung, als versuchte er sich vorzustellen, wie ihre Brüste darin aussehen mochten.
Die so gedemütigte Frau rannte aus dem Schlafgemach. Das Gelächter des Büttels verfolgte sie bis in den Patio, wo die Kinder warteten.
Wie kann unser Herrgott das nur zulassen? Rafaela lag in dieser Nacht mit den drei Kindern dicht gedrängt im Bett und starrte an die Decke. Keines der Kinder hatte in seinem eigenen Bett schlafen wollen, und auch Rafaela wollte nicht allein sein. Stundenlang streichelte sie ihnen die Rücken und strich über ihre Köpfe. Am Nachmittag hatte sie einen Soldaten, der sich mit dem Büttel im Haus besprach, sagen hören, dass die Kolonne der Ausgewiesenen bereits nach Sevilla aufgebrochen sei. Die Bewohner von Córdoba hatten sie mit wüsten Beschimp fungen und spöttischen Rufen verabschiedet. Sie stellte sich Hernando mit Amin und Laila in der Menge vor. Vielleicht durften ihre Kinder unterwegs hin und wieder bei Miguel auf dem Maultier sitzen. Die Pferde hatten sie an andere Morisken vermietet. Was sollte nur aus Hernando und den Kindern werden? Auf ihren Lippen spürte sie noch den letzten leidenschaftlichen Kuss. Wo war die Barmherzigkeit, von der die Priester und die frommen Christen immer sprachen? Wo waren die Gnade und das Mitleid, die sie die ganze Zeit predigten?
Die kleine Salma zuckte im Schlaf und drohte immer wieder aus dem Bett zu fallen. So gut es ging, richtete Rafaela sich auf und zog ihre jüngste Tochter zu sich.
Welche Zukunft stand diesem Kind bevor? Das Klosterleben, dem sie selbst entgangen war? Der Dienst bei einer reichen Familie? Das Hurenhaus? Und Muqla und Musa? Ihr fiel wieder der lüsterne Blick des Büttels ein. Sie musste darauf gefasst sein, dass die Leute sie schlecht behandeln würden. Sie war nur die Gattin eines Morisken, der sie verlassen hatte. Und ihre Kinder hatten einen Ketzer zum Vater. Ganz Córdoba wusste Bescheid!
Wovon sollten sie leben? Auf Unterstützung durch ihre Geschwister durfte sie nicht hoffen. Konnte sie mit der Hilfe von anderen Christen rechnen?
Sie schluchzte und nahm ihre Kleinen in den Arm. Muqla öffnete schläfrig die blauen Augen.
»Junge, schlaf weiter«, flüsterte sie und wiegte ihn sanft. Bald atmete der Junge wieder regelmäßig, und Rafaela wollte wie sonst auch Trost im Glauben finden, aber die gewohnten Bittgebete gingen ihr nicht über die Lippen. Betet zur Jungfrau! Ihr fiel Hernandos Auftrag wieder ein. Hernando glaubte an Maria. Sie hatte gehört, wie er den Kindern von der Heiligen Jungfrau erzählte und begeistert berichtete, dass Maria das Bindeglied zwischen den beiden bis aufs Blut verfeindeten Religionen war. Der Glaube an ihre Unbefleckte Empfängnis verband Christen und Muslime seit Jahrhunderten miteinander.
»Maria«, wisperte Rafaela in die Nacht.
Während sie das Bittgebet zur Heiligen Jungfrau flüsterte, wies ihr Herz ihr plötzlich den Weg und führte sie zu einer unumstößlichen Entscheidung. Zum ersten Mal seit Wochen konnte sie wieder lächeln, und endlich gaben ihre schweren Augenlider dem drängenden Schlafbedürfnis nach.
Gleich am nächsten Tag verließ Rafaela in der Morgendämmerung mit Salma auf dem Arm das Haus und ging mit Musa und Muqla zwischen den noch müden Feldarbeitern über die römische Brücke. Ihr einziges Gepäck waren ein Korb mit Essen und der Beutel mit dem Geld, das Miguel ihr übergeben hatte, nachdem der gierige Notar gegangen war.
»Mutter, wohin gehen wir?«, wollte Muqla nach einiger Zeit wissen.
»Wir suchen deinen Vater«, antwortete sie gefasst – den Blick auf die gewaltige Strecke gerichtet, die sich vor ihnen auftat.
Rafaela wusste,
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