Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
eventuellen Belagerung nicht der Feind als Bastion benutzen konnte; der Vorschlag war nie zur Ausführung gelangt.
    Und nun sah Constantia, die sich jetzt beim offen stehenden Klostertor an die Mauer drückte, wie ihr Liebhaber in dem alten, schiefen Bauwerk verschwand. Das Licht seiner Laterne schien aus dem Eingang, dann schien es schwächer zu werden, und dann war es erloschen. Constantias Brauen zogen sich zusammen. Tappte er da im Dunkeln herum? Aber sie hörte keinen Laut, noch nicht einmal das Scharren von Schritten. Untermalt von dem leisen Gemurmel und dann plötzlich wieder einsetzendem Gesang der Nonnen fragte Constantia sich, ob es sein konnte, dass Meffridus in dem alten Bau verschwunden war. Sie überlegte, ob sie zum Eingang huschen und nachsehen sollte, doch der Gedanke, dass seine Laterne vielleicht einfach nur ausgegangen war und er in dem Moment ins Freie trat, in dem sie keuchend beim Turm ankam, ließ sie den Gedanken beiseiteschieben. Sie wusste nicht, was Meffridus tun würde, wenn ihm klar wurde, dass sie ihm hinterherspionierte, und sie gestand sich ein, dass sie es auch nie herausfinden wollte.
    Ein Teil des Rätsels hatte sich ohnehin schon gelöst. Ihre Ahnung, was dafür verantwortlich war, dass Meffridus die Nacht zum Tag machte, war zutreffend gewesen und sang sich ein paar Dutzend Schritte entfernt durch die Vigil: die Nonnen. Constantia konnte sich keinen Grund vorstellen, warum der Notar Schwester Elsbeth und ihre Zisterzienserinnen unterstützen sollte, und dennoch hatte er es getan. Sie hatte erwartet, dass Meffridus bei der Ratssitzung vor drei Wochen die Stimme erheben und »vorschlagen« würde, die Schwestern aus der Stadt zu jagen. Es hatte sie überrascht, als er stattdessen den Antrag von Schwester Elsbeth unterstützt hatte; ihr war in diesen Momenten klar geworden, dass er sich bereits im Vorfeld mit der Zisterzienserin abgestimmt haben musste. Constantia hatte gedacht, gut genug Bescheid über ihn zu wissen, und hatte lernen müssen, dass sie gar nichts wusste und noch nicht einmal sagen konnte, was Meffridus im Allgemeinen tat, und das, obwohl er sie die meiste Zeit mit sich herumführte wie ein zahmes Tier.
    Und nun hatten die Nonnen und ihr verklemmter Baumeister bereits die Wiese so weit trockengelegt, dass man an das Roden der Fläche gehen konnte, ohne bis zu den Knien im Matsch zu versinken.
    Was hatte Meffridus’ Stimmungswandel veranlasst? Wie es schien, hatte er sich den Plan angesehen, bevor Schwester Elsbeth damit zum Stadtrat gegangen war. War es der Plan gewesen, der ihn hatte umdenken lassen? Aber weshalb? Was war darauf zu sehen gewesen, das sie, Constantia, nicht erkannt hatte?
    Frierend drückte sie sich an die Klostermauer, während ihre Gedanken sich ratlos im Kreis drehten, und hielt sich an den wenigen Gewissheiten fest, die sie zu haben glaubte: dass sie Meffridus vernichten würde und dass sie Schwester Elsbeth für den unerklärlichen Einfluss zu hassen begann, den diese über Meffridus zu besitzen schien.
    Nun , sagte sie sich, sie hat ihn nur, weil Meffridus es zulässt.
    Was ist das? , fragte sie sich dann. Bist du eifersüchtig wegen des Mannes, den du tot sehen möchtest?
    O Gott, ihr Leben war eine einzige Wirrnis, und ihre Seele war ein Wrack.
    Sie musste eingedöst sein. Mit einem Ruck erwachte sie. Aus einem der Hinterhöfe der näher gelegenen Häuser hörte sie das leise Scharren und das gedämpfte Gackern von Hühnern, die schlaftrunken den Tag begannen. Zwischen den Häusern und um das Kloster herum war es noch dunkel, doch der Himmel überzog sich bereits mit einem grauen Hauch. Erschrocken stierte sie um sich und sah das Licht von Meffridus’ Laterne für einen Augenblick draußen vor der Stadt um den Fischteich tanzen. Schwankend richtete sie sich auf. Ihr Körper war starr und eiskalt.
    Steifbeinig rannte sie zum Haus zurück. Wie lange war Meffridus in dem alten Turm gewesen, ohne dass das Licht seiner Laterne auch nur noch einmal aufgeschienen hätte? Was hatte er allein in der Dunkelheit getan? Und wie lange hatte sie gedöst? Wenigstens in dieser Hinsicht war sie sich sicher – es konnten nur ein paar Minuten gewesen sein. Sie war nicht einmal an der Mauer zu Boden gesunken, sondern war kauern geblieben.
    Sie rannte die Stufen hoch ins Obergeschoss, warf den Mantel in die Truhe und schlüpfte unter die Bettdecke. Ihre Hände, ihre Füße waren kalt. Wenn Meffridus unter die Decke kam, würde er es bemerken. Hektisch begann

Weitere Kostenlose Bücher