Die Pforten Des Hades
einen derart brillanten Strategen, daß er glaubt, es würde nichts ausmachen, daß er seinen eigenen Feind vorher mit bester römischer Schmiedearbeit bewaffnet hat.«
»Und du meinst, er hätte Dionysius vergiftet, weil der Philosoph vorhatte, ihn öffentlich zu entlarven.«
»Vielleicht. Wahrscheinlich hatte Dionysius einen subtilen Erpressungsversuch gestartet, wobei er lediglich ein großzügiges Stipendium und einen Platz in Crassus Gefolge verlangt haben dürfte. Doch Männer wie Crassus dulden keine Untergebenen, die ein Geheimnis über sie wissen. Dionysius war so dumm, zu verkennen, daß das Wissen, das er ausbeuten wollte, keinen Profit abwerfen würde. Er hätte seine Geheimnisse für sich behalten sollen; dann würde er vielleicht noch leben.«
»Aber warum hat Crassus Lucius getötet?«
Iaia blickte auf ihre Füße, wo das Sonnenlicht inzwischen bis zu ihren Zehen gekrochen war. »Wer weiß? In jener Nacht kam Crassus, um ihre geheimen Geschäfte zu besprechen. Vielleicht hat Lucius die Dienste, die Crassus ihm abverlangte, verweigert und gedroht, die ganze Sache auffliegen zu lassen; Lucius war der Typ, der schnell in Panik geriet. Vielleicht hatte Crassus entdeckt, daß Lucius ihn betrog. Aus welchem Grund auch immer, Crassus schlug ihn mit der Statue nieder und tötete ihn, dann sah er eine Möglichkeit, diesen Moment des Wahnsinns zu seinen Gunsten zu wenden, indem er es aussehen ließ wie die Tat eines Gefolgsmannes von Spartacus.«
Ich starrte auf die endlose Folge von Wellen, die vom Horizont auf die Küste zurollten, und schüttelte den Kopf. »Solch krasse Doppelzüngigkeit - es ist fast zu monströs, um es zu glauben. Aber warum ließ Crassus dann nach mir schicken?«
»Weil Gelina und Mummius darauf bestanden haben. Er hätte ihnen eine ehrliche und gründliche Untersuchung des Todes seines Vetters wohl kaum verwehren können.«
»Und wie ist Dionysius in den Besitz der Dokumente gelangt?«
»Das wissen wir nicht genau. Das einzige, was wir sicher wissen, ist, daß wir aus Dionysius Mund nie mehr eine Erklärung hören werden.«
Ich dachte an Crassus düstere Stimmungen, seine unausgesprochenen Zweifel, die langen Nächte, in denen er auf der Suche nach irgend etwas die Unterlagen in Lucius Bibliothek durchgegangen war. Wenn Iaias Schlußfolgerungen zutreffend waren, war Crassus Mörder, Grabredner, Richter und Rächer in einem, und wir konnten nicht das geringste tun, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.
»Wie ich sehe, bist du noch nicht völlig zufrieden«, sagte Iaia.
»Zufrieden? Ich bin mehr als zufrieden. Was für eine Verschwendung, was für eine Nutzlosigkeit, mich dieser Gefahr auszusetzen, und nicht nur mich, sondern auch Eco! Für einen Beutel Silber. Crassus löst alle seine Probleme mit Silber - und warum auch nicht, solange Männer wie ich sich mit ein paar kleinen Münzen zufriedengeben. Er hätte das Geld auch gleich schicken und mir erlauben können, in Rom zu bleiben, anstatt mich hierherzuschleifen, auf daß ich diesen widerlichen Betrug mitmache -«
»Ich meinte«, unterbrach Iaia mich, »daß du vielleicht mit meiner Erklärung der Ereignisse noch nicht ganz zufrieden bist. Es gibt gewisse Umstände, von denen du nichts weißt, die dir jedoch ein wenig mehr Einblick vermitteln könnten in die Art, wie Crassus Verstand funktioniert. Diese Angelegenheiten sind so heikel, so persönlich, daß ich selbst jetzt noch zögere, sie mit dir zu besprechen. Doch ich bin sicher, Gelina hätte Verständnis. Du weißt, daß ihre Ehe mit Lucius kinderlos war.«
»Ja.«
»Und doch wünschte sich Gelina von ganzem Herzen ein Kind. Sie glaubte, daß das Problem bei ihr läge, und suchte um meine Hilfe nach; ich tat, was ich mit meinen medizinischen Kenntnissen tun konnte, aber ohne Erfolg. Ich begann zu vermuten, daß das Problem bei Lucius lag. Ich braute Arzneien, die Gelina ihm heimlich verabreichte, doch auch das brachte keinen Erfolg. Stattdessen wandte Priapus seine Gunst nach und nach ganz von Lucius ab. Er wurde ein sexueller Krüppel - ohnmächtig, genauso wie er zu ohnmächtig war, sein eigenes Leben und Schicksal in die Hand zu nehmen. Stell dir vor, ein Geschöpf von Crassus Gnaden zu sein, gezwungen, seine Größe zu bewundern, reduziert auf billige Intrigen, seinem Einfluß zu entkommen - was Crassus nie zugelassen hätte, weil es ihm eine perverse Lust bereitete, seinen Vetter unter der Knute zu halten.
Trotzdem wollte Gelina noch immer ein Kind. Sie
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