Die Pforten Des Hades
auf dein Zimmer gehen«, flüsterte er. Ich verlangte eine Erklärung, doch er schüttelte nur den Kopf und wiederholte seine Aufforderung. Also folgten Eco und ich, während er vorauslief.
Der Raum war von Sonnenlicht erfüllt. Noch hatte niemand unsere Betten gemacht, doch ich spürte, daß jemand im Zimmer gewesen war. Ich warf einen Seitenblick auf Meto, der durch den Spalt der geöffneten Tür hereinspähte. Dann zog ich die Tagesdecke von meinem Bett.
Die kleine häßliche Figur war verschwunden. Statt dessen lag dort ein Stück Pergament mit einer Botschaft in roten Lettern:
BEFRAGE DIE SIBYLLE BEI CUMAE BEEILE DICH
»Nun, Eco, das ändert unsere Pläne. Doch kein Schwimmen heute morgen. Jemand hat dafür gesorgt, daß wir eine Botschaft direkt von den Göttern erhalten.«
Eco betrachtete den Fetzen Pergament und gab ihn mir dann zurück. Im Gegensatz zu mir schien er den exzentrischen Schnörkel mit dem steil nach rechts unten neigenden Querbalken des Buchstabens »A« nicht bemerkt zu haben.
ELF
Als ich Meto fragte, ob er uns den Weg zur Sibyllinischen Grotte oder zumindest bis nach Cumae zeigen könnte, wich er mit abwehrend erhobenen Händen zurück. Als ich ihn bedrängte, wurde er blaß. »Nicht ich«, flüsterte er. »Ich habe Angst vor der Sibylle. Doch ich weiß, wer euch den Weg zeigen könnte.«
»Ja?«
»Olympias begibt sich jeden Tag um diese Zeit nach Cumae, um Sachen aus Iaias Haus zu holen und nach dem Rechten zu sehen.«
»Wie günstig für uns«, sagte ich. »Fährt sie mit einem Wagen oder zieht sie den Luxus einer Sänfte vor?«
»O nein, sie reitet selbst- wie ein Mann. Wahrscheinlich ist sie gerade in den Ställen. Wenn du dich beeilst -«
»Komm, Eco«, wollte ich sagen, doch er war schon vor mir aus der Tür geschlüpft.
Ich hatte insgeheim vermutet, daß Olympias auf uns warten würde, doch sie schien ehrlich überrascht, als ich sie quer über den Hof anrief. Sie kam, bereits auf einem kleinen weißen Pferd sitzend, aus dem Stall. Sie hatte ihren langen formlosen Malerumhang gegen eine kurze Tunika eingetauscht, die es ihr ermöglichte, rittlings auf dem Pferd zu sitzen. Das Kleidungsstück ließ ihre Beine vom Knie an abwärts völlig nackt. Eco tat so, als würde er bewundernd das Pferd betrachten, während er verstohlene Seitenblicke auf die gegen die Flanken des Pferdes gepreßten, perfekt geformten, goldbraunen Unterschenkel des Mädchens riskierte.
Olympias erklärte sich erst nach einigem Zögern bereit, uns nach Cumae mitzunehmen. Als ich ihr erzählte, daß wir die Sibylle konsultieren wollten, wirkte sie zunächst alarmiert, dann skeptisch. Ihre Verwirrung überraschte mich. Ich hatte geglaubt, daß sie an dem dunklen Plan, mich nach Cumae zu locken, beteiligt sein müßte, doch sie schien unsere Begleitung eher als Zumutung zu empfinden. Schließlich wartete sie aber, bis Eco und ich uns beim Stallmeister Pferde ausgeliehen hatten, um mit uns zusammen aufzubrechen.
»Der kleine Meto sagt, daß du diesen Weg jeden Tag machst. Ist es hin und zurück nicht ein weiter Ritt?«
»Ich kenne eine Abkürzung«, sagte sie.
Wir ritten zwischen den bullenhäuptigen Säulen hindurch, erreichten die öffentliche Straße und bogen dann rechts ab, wie am Vortag mit Mummius, als der Sklave uns gezeigt hatte, wo er die blutige Tunika gefunden hatte. Bald hatten wir die Stelle erreicht und ritten in nördlicher Richtung weiter. Die Hügel zu unserer Linken waren von Olivenhainen bedeckt, die Äste der Bäume waren schwer von frühen Früchten, doch weit und breit war kein Sklave zu sehen. Auf die Ölhaine folgten Weinberge, dann verstreute Flächen bebauten Landes, gefolgt von waldigen Abschnitten. »Die Gegend um den gesamten Golf ist bekannt für ihre erstaunliche Fruchtbarkeit«, sagte ich.
»Und für seltsamere Dinge«, erwiderte Olympias.
Die Straße begann sich talwärts zu winden. Durch die Bäume sah ich ein Gewässer schimmern, das nur der Lucrinus-See sein konnte, eine langgezogene Lagune, von der Bucht durch einen schmalen Strand getrennt. »Hier hat Sergius Orata sein Vermögen gemacht«, sagte ich zu Eco. »Er hat Austern gezüchtet und sie an die Reichen verkauft. Wenn er uns hätte begleiten können, hätte er dir sicher gerne eine ausgiebige Führung samt Vortrag geboten.« Eco verdrehte die Augen und schüttelte sich theatralisch.
Die Aussicht weitete sich, und ich konnte vor uns die Straße überblicken, die zunächst dem Strand zwischen Bucht und Lagune
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