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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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hervorbringen, und keine Sterbliche hat je solche Augen besessen, funkelnd und hell wie das Licht, das durch die Spalten der Grotte drang.
    Sie erhob ihre Stimme und schlang dann die Arme um ihren Körper. Ihre Brust bebte, und ein rasselndes Geräusch drang aus ihrer Kehle, als der Gott durch sie zu atmen begann. Hinter uns kam plötzlich ein Wind auf und ließ ihre Haare wehen wie rudernde Fangarme. Sie wehrte sich noch gegen die Unterwerfung unter den göttlichen Willen, versuchte ihn abzuschütteln wie ein Pferd einen Reiter. Vor ihrem Mund stand Schaum. Aus ihrer Kehle drangen Laute wie das Heulen des Windes in einer Höhle, dann wie Wasser, das durch ein Rohr gurgelt. Stück für Stück zwang der Gott sie in seine Gewalt und beruhigte sie. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und richtete sich dann langsam auf.
    »Der Gott ist in mir«, sagte sie mit einer Stimme, die weder männlich noch weiblich war. Die Sibylle schien lediglich Worte auszusprechen, die ihr von einer anderen Macht eingeflüstert wurden. Ich sah kurz zu Eco. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, seine Augen waren weit aufgerissen, die Nüstern gebläht. Ich ergriff seine Hand, um ihm in der Dunkelheit Mut zu machen.
    »Warum kommst du?« fragte die Sibylle.
    Ich wollte antworten, doch meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich schluckte und versuchte es erneut. »Man hat uns aufgetragen... zu kommen.« Selbst meine eigene Stimme klang unnatürlich in meinen Ohren.
    »Was suchst du?«
    »Wir kommen... auf der Suche nach Erkenntnis... über gewisse Ereignisse... in Baiae.«
    Sie nickte. »Du kommst aus dem Haus des Toten. Lucius Licinius.«
    »Ja.«
    »Du suchst die Antwort auf ein Rätsel.«
    »Wir möchten wissen, wie er gestorben ist... und durch wessen Hand.«
    »Nicht durch die Hand derer, die man der Tat bezichtigt«, erklärte die Sibylle emphatisch.
    »Und doch fehlt mir dafür jeder Beweis. Wenn ich nicht darlegen kann, wer Licinius ermordet hat... wird jeder Sklave im Haus getötet werden. Der Mann, der dies zu tun gedenkt, hat dabei nur seinen persönlichen Vorteil im Sinn... nicht Gerechtigkeit. Kannst du mir den Namen des Mannes sagen, der Licinius getötet hat?«
    Die Sibylle schwieg.
    »Kannst du mir sein Gesicht in einem Traum zeigen?«
    Die Sibylle fixierte mich mit ihrem durchdringenden Blick. Ein eiskalter Schauer lief durch meine Knochen. Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber das ist es, was ich wissen muß«, protestierte ich. »Das ist das Wissen, das ich suche.«
    Erneut schüttelte die Sibylle den Kopf. »Wenn ein General zu mir kommen und mich bitten würde, seine Feinde niederzustrecken, würde ich mich nicht auch weigern? Wenn ein Arzt zu mir kommen und mich bitten würde, seinen Patienten zu heilen, würde ich ihn nicht fortschicken? Das Orakel ist nicht dazu da, die Arbeit der Menschen für sie zu erledigen. Doch wenn diese Männer zu mir kommen und nichts als Erkenntnis suchen würden, würde ich sie ihnen zuteil werden lassen. Wenn es der Wille des Gottes wäre, würde ich dem General sagen, wo der verborgene Feind lauert, und ich würde dem Arzt sagen, wo er ein Kraut findet, das seinen Patienten retten könnte. Der Rest wäre dann an ihnen.
    Was soll ich nur mit dir machen, Gordianus von Rom? Erkenntnisse zu sammeln ist deine Arbeit, und deine Arbeit werde ich nicht für dich tun. Wenn ich dir die gesuchte Antwort gebe, würde ich dich genau der Mittel berauben, mit deren Hilfe du dein Ziel erlangst. Wenn du mit nichts als einem Namen zu Crassus gehst, wird er dich nur auslachen oder dich wegen deiner falschen Anschuldigungen bestrafen. Wenn du es nicht unter Anwendung deiner Talente aus eigener Kraft erwirbst, wird das Wissen, welches du suchst, bedeutungslos sein. Denn du mußt, was du behauptest, auch beweisen können. Es ist der Wille des Gottes, daß ich dir dabei helfe, doch ich werde nicht deine Arbeit für dich tun.«
    Ich schüttelte den Kopf. Was nutzte eine Sibylle, die sich weigerte, einen einfachen Namen zu nennen? Konnte es sein, daß sie es nicht wußte? Das Bewußtsein, derart unfrommen Gedanken Raum zu geben, ließ mich zusammenzucken, gleichzeitig war mir, als würde ein Schleier vor meinen Augen gelüftet, und die Sibylle begann wieder, Iaia verdächtig zu ähneln.
    Eco zupfte an meinem Ärmel und verlangte meine Aufmerksamkeit. Er hielt zwei Finger der einen Hand hoch, zwei Finger der anderen Hand nach unten, sein Zeichen für Mann: zwei Männer. Er legte eine Hand um das Handgelenk der anderen,

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