Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
liegen, und dazu noch der vermehrte menschliche Zufluss, haben uns augenscheinlich die Möglichkeit der Entscheidung gelassen.“
Auf eine verrückte Art und Weise ergaben seine Worte Sinn. Oder waren zumindest so sinnvoll wie alles andere in der letzten Zeit auch. Außer…
„Jimmy, warum habe ich Reißzähne gesehen?“
„In mir ist auch Vampirblut, das streite ich gar nicht ab. Aber diese Anteile sind verborgen, und ich habe keine Reißzähne.“ Er lächelte mich breit an: Es gab weder Reißzähne, noch war sein Lächeln freudestrahlend. „Ich trinke kein Blut. Und du hast selbst gesehen, dass mir Silber nichts anhaben kann.“
„Kann es denn Vampire überhaupt töten?“
„Nein.“
Beinahe hätte ich gelacht. Auf Jimmy konnte man echt zählen, wenn es darum ging, eine Verteidigung aufzubauen, die in Wirklichkeit gar keine war. Nie konnte er eine Grenze respektieren, immer musste er sie überschreiten. Zumindest in dieser Hinsicht war er noch ganz der Alte.
„Du musst bei der Berührung meine verborgenen Anteile gespürt haben. Das ist die einzige Erklärung dafür“, murmelte er.
Er mochte recht haben. Was wusste ich schon?
„Ich habe mit Ruthie zusammengearbeitet“, sagte er leise. „Sie hat mir vertraut. Kannst du es denn nicht auch?“
Ich war mir nicht ganz sicher. Aber eher aus Gründen, die mit dieser Sache hier gar nichts zu tun hatten.
Es stimmte schon, was Jimmy sagte. Ruthie hatte sich Jimmy ausgesucht und ihre Gabe an mich weitergegeben. Schließlich hatte ich ihr versprochen, ihm zu helfen.
„Wir tun uns zusammen, um Ruthies Mörder zu finden“, sagte ich.
„Und dann?“
„Dann sehen wir weiter.“
„Du hast jetzt ihre Kraft, Lizzy. Du steckst sehr tief in allem drin.“
Damit beschreibst du wohl eher deine Fantasien, dachte ich, aber das behielt ich für mich.
„Wir werden zusammenarbeiten“, wiederholte ich, „aber das ist auch alles.“
„Selbstverständlich“, sagte er und öffnete die Tür.
Ich warf ihm finstere Blicke hinterher. Musste er so tun, als sei es ihm total gleichgültig? Konnte er nicht ein wenig bitten, ein bisschen betteln?
„Für einen Dämonenjäger ist es besser, er lässt sich erst gar nicht mit jemandem ein.“ Er sah mich über die Schulter hinweg an. „Mit der Lebenserwartung sieht es nämlich ziemlich düster aus.“
Mein Blick fiel auf seine sich fortwährend selbst heilende Hand. „Aber…“
„Ich kann genesen, aber ich kann auch sterben. Wunden von Nephilim verheilen nicht so schnell.“ Er zeigte mit dem Finger auf sein Auge. „Erinnerst du dich noch?“
Nachdem ich tagelang im Krankenhaus gelegen hatte, hatte er immer noch ein Veilchen von dem Kampf bei Ruthie.
Bei dem Gedanken an Jimmys Tod wurde mir schwer ums Herz. Zwar wollte ich nicht, dass er mich jemals wieder anrührte, aber tot und damit potenziell nie mehr in der Lage zu sein, mich anzurühren, das wollte ich auch nicht.
Nachdenklich rieb ich mir die Stirn. Die Zusammenarbeit mit Jimmy würde verdammt schwer werden.
„Und abgesehen von dem Heilen“, ich ließ den Arm wieder sinken, „was macht dich sonst noch besonders?“
„Außergewöhnliche Stärke und Schnelligkeit. Meine Augen sind besser, und ich erkenne einen Vampir hinter seiner menschlichen Verkleidung.“
„Haben alle Dämonenjäger besondere Fähigkeiten?“
„So ziemlich.“
„Sind sie alle Kreuzungen?“
Jetzt zögerte er einen Augenblick, wie um etwas abzuwägen. Schließlich nickte er.
Das musste ich erst einmal verdauen. Irgendwie war es ja auch vernünftig. Ich meine, man geht ja auch nicht mit einem Messer zu einem Pistolenduell. Genauso wenig schickte man ganz normale Menschen in einen Kampf mit Dämonen biblischen Ausmaßes. Jedenfalls nicht, wenn man gewinnen wollte.
Lachen stieg in mir hoch. Das war alles so abwegig, dass es einfach wahr sein musste.
„Moment mal. Wie soll ich denn die Nephilim von den Kreuzungen unterscheiden?“, fragte ich. „Ruthie hat mir beides zugeflüstert: Berserker und Dhampir.“
„Wenn man versucht, dich umzubringen, dann rate ich dir, dreh den Spieß um“, sagte er.
„Ich meine das ernst.“
„Ich auch.“
„Aber selbst wenn ich Nephilim von Kreuzungen unterscheiden könnte, du hast ja selbst gesagt, einige von euch kämpfen auf der anderen Seite.“
„Du wirst eine Zeit lang brauchen, bis du dich zurechtfindest. Aber du wirst den Unterschied schon lernen – von Büchern, durch andere und einfach dadurch, dass du dieselben
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