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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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bist dazu bestimmt, diese Armee anzuführen, nicht ich.“
    „Anführen?“ Auf einmal fiel mir das Atmen schwer. „Eine Armee?“
    „Ja, was hast du denn gedacht, was du hier machen sollst, Kindchen?“
    „Deinen Job.“
    „Mein Job war es, die Welt davor zu bewahren, sich selbst zu zerstören, bis du bereit warst.“
    „Ich bin noch nicht bereit.“
    „Dann fasse dir ein Herz, gehe zu Sawyer und sieh zu, dass du bald so weit bist.“
    „Ich möchte lieber nicht in seiner Nähe sein.“
    Meine Gefühle für ihn waren nicht so leicht zu beschreiben. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen und von ihm abgestoßen, beides zugleich. Er hatte die Dinge klarer und auch unklarer gemacht. Nach jedem Sommer bei ihm war ich zwar stärker geworden, doch nie hatte ich all das gelernt, was er mir hatte beibringen wollen. Manche seiner Lektionen waren eigentlich nicht für mich bestimmt. Sawyer bewegte sich auf einem dünnen Grat zwischen Gut und Böse. Und zuweilen wanderte er auf dem Pfad der Finsternis, und ich hatte das Gefühl, dass er mich dann zu sich hinunterziehen wollte.
    „Hab ich dich etwa gefragt, was du willst?“ Ruthie legte den Kopf sinnend auf die Seite, als hörte sie jemanden, der nach ihr rief. „Springboard ist hier.“ Unsere Blicke trafen sich, und sie hatte feuchte Augen. „Jeden Tag kommen Neue. Sieh zu, dass du nicht die Nächste bist.“
    „Ich werde mir Mühe geben.“
    Sie kniff die Augen zusammen, und ich wartete darauf, dass sie sagte, wie wenig sie meine „frechen Antworten“ leiden konnte. Stattdessen blickte sie wieder in die unfassbar schöne Weite des Himmels.
    „Sie kommen“, flüsterte sie, und die Tränen, die in ihren Augen gestanden hatten, strömten nun ihre Wangen hinunter wie Regenbäche.
    Das letzte Mal, als Ruthie gesagt hatte „sie kommen“, war ich mit einem Berserker im Zimmer aufgewacht. Der Gedanke an die Begegnung mit einem Wesen, das Ruthie hatte zum Weinen bringen können, rüttelte mich aus meinen Träumen, nur um meinem nächsten Albtraum zu begegnen. Aber ich konnte mich nicht bewegen, konnte aus diesem grellen und leeren Hinterhof, wo einst Kinder gespielt hatten, nicht herauskommen.
    „Jimmy“, sagte ich. „Er ist ganz alleine.“
    „Der kommt schon seit Jahren ohne dich zurecht.“
    „Ich dachte, ich müsste ihm helfen.“
    „Es gibt verschiedene Arten von Hilfe. Du bist Seherin und keine Jägerin.“ Sie runzelte die Stirn, spitzte die Ohren, konzentrierte sich noch einmal sehr, dann stieß sie ein Wort hervor, von dem ich nie für möglich gehalten hätte, dass ich es einmal aus Ruthie Kanes Mund hören würde – erst recht nicht im Paradies. Und dann fuhr sie fort: „Schwere Zeiten sind das. Mit Unterstützung sieht es nicht gerade rosig aus. Du wirst als die erste dämonenmordende Seherin in die Geschichte eingehen. Herzlichen Glückwunsch.“
    „Was? Aber ich bin doch keine Kreuzung. Ich hab doch gar keine Superkräfte.“
    „Das kommt noch.“
    Zum Teufel.
    „Geh jetzt wieder zurück und rette, wen du kannst, und sei gewiss“ – Ruthie berührte meinen Arm, und ich sah ein Schild, eine Straße, eine Stadt – „alles andere ist hier in mir.“
    Blitze zuckten am Sommerhimmel, dicht gefolgt von krachendem Donner, ich schloss vor Schreck die Augen. Dann wachte ich wieder im Auto auf. Und das einzige Licht waren die grellgelben Scheinwerfer, die sich auf den schwarzen Asphalt ergossen.
    Angestrengt blickte ich aus dem Wagenfenster. Jede Menge flaches Land. Kaum Bäume.
    „Iowa?“, vermutete ich.
    „Kansas.“
    Eins wie das andere.
    Jimmys Haut wirkte im Licht des Armaturenbretts käsig, aber seine Augen waren wachsam. Sein ganzer Körper schien in Alarmbereitschaft zu sein.
    „Warum sind wir denn vom Freeway runter?“, fragte ich.
    „Du hast im Schlaf irgendetwas von ‚Hardeyville‘ gemurmelt. Und als ich dann die Ausfahrt gesehen habe, dachte ich, wird wohl ein Zeichen sein.“
    Genau in diesem Moment flog zu unserer Rechten eine riesige Reklametafel vorbei: Willkommen in Hardeyville – 1256 Einwohner.
    „Ja, wahrscheinlich“, sagte ich leise.
    Der Ort sah haargenau so aus wie in meiner Traumvision. Warum auch nicht.
    Mitten durch den Stadtkern verlief der Highway und wurde an der ersten Kreuzung zur Main Street. Keine einzige Ampel zu sehen. Die Leute in Hardeyville hatten wohl kaum unter zu starkem Verkehr zu leiden.
    Die Häuser waren alt und zumeist aus Backstein. Die Geschäfte dort waren von der Art, wie man sie in einer

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