Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
Ich würde auch für sie kämpfen, wenn ich meine Menschlichkeit dabei verlieren würde, statt sie zu gewinnen.“
Aha. Interessant.
„Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, warum sie hinter ihr her sind?“, fragte ich.
„Sie sind nicht hinter ihr her, sondern hinter dir.“ Quinn sah mich an. „Sie glauben, dass du zurückkommst, um nach deiner Freundin zu sehen und mal wieder zu Hause vorbeizuschauen“ – er hob die Pranken, ähm, die Hände, meine ich – „und auch beim Grab deiner Pflegemutter.“ Er sah sich nervös um. „Du solltest lieber von hier verschwinden.“
„Du wirst Megan und die Kinder beschützen.“
Er legte die Hand auf sein Herz. „Mit meinem Leben, Herrin.“
„Nenn mich Liz.“
„Liz. Ich habe hier mehr Nephilim erledigt, als ich es zu Lebezeiten meines Sehers jemals zustande gebracht habe.“
„Dein Seher ist gestorben?“
„Bei der letzten Angriffswelle.“
Jimmy wandte sich ab, aber nicht schnell genug, um den Schmerz in seinem Gesicht vor mir zu verbergen. Er war immer noch davon überzeugt, dass es seine Schuld gewesen war.
Streng genommen war es das auch. Jimmy war ein Traumwanderer – er konnte durch das Bewusstsein schlafender Personen streifen und ihre Geheimnisse aus dem Nebel des Bewusstseins pflücken. Dass sein Vampirvater ihn gezwungen hatte, die Namen und Aufenthaltsorte von Mitgliedern der Föderation aus Ruthies Kopf zu stehlen, trug nicht gerade dazu bei, seinen Schmerz zu lindern. Dass dadurch so viele sterben mussten – darunter auch Ruthie – , darüber würde er womöglich niemals hinwegkommen.
„Brauchst du einen neuen Seher?“, fragte ich.
„Ich arbeite jetzt hier“, sagte Quinn schulterzuckend. „Mehr brauche ich nicht.“
Gut. Ein Problem weniger also. Wenn ich jemals meine eigenen Kräfte zurückbekomme, wenn ich die Seherin bin, die ich werden sollte, bevor hier alles zum Teufel ging – oder bevor der Teufel zu mir kam – , dann werde ich ihn übernehmen. Auch ich hatte bei der Angriffswelle einige Dämonenjäger verloren. Also hatte ich noch ein paar Stellen frei.
Das Bolzenschloss an der Hintertür klickte. Wir erstarrten alle drei, sahen erst uns an und dann zur Tür hin, die sich langsam öffnete.
Im nächsten Augenblick fanden wir uns hinter den dichten Büschen wieder, die Megans Garten vom nördlich angrenzenden Grundstück abtrennten. Ich hoffte, dass dieser Nachbar keinen nachtaktiven Hund hatte, der unsere Anwesenheit meldete.
Megan trat auf die Veranda und suchte mit den Augen die Schatten ab. Sie trug eine von Max’ alten Dienstjogginghosen, die auf Kniehöhe abgeschnitten war, und ein kleegrünes Tanktop mit dem Aufdruck Murphy’s .
Sie sah unverändert aus – klein und süß, mit ihrem lockigen roten Haar, den dunkelblauen Augen und den paar Sommersprossen auf ihrer niedlichen Stupsnase. Ihre Arme waren zwar rundlich, aber muskulös – schließlich schleppte sie ständig drei Kinder, deren Krempel und Tabletts mit Essen und Getränken durch die Gegend. Die Beine waren schlank und fest – das kommt davon, wenn man zwölf Stunden am Tag auf den Beinen ist.
„Liz?“, fragte sie leise.
Ich biss mir auf die Lippe und zwang mich, keinen Mucks zu machen. Wenn sie herausfand, dass ich hier war, würde sie Zeit mit mir verbringen und quatschen wollen. Das wollte ich ja auch. Ich vermisste sie so sehr. Aber ich konnte doch nicht hier rumhängen, durfte nicht riskieren, dass mich ein Nephilim zusammen mit ihr sah – und wusste dabei, wie viel sie mir bedeutete. Bisher hatte ich Glück gehabt. Aber das Glück blieb nie besonders lange auf meiner Seite.
Megan seufzte, ihre Schultern sanken nach vorn. Ich fühlte mich beschissen. Ich schwor mir, sie so bald wie möglich anzurufen und mich, so gut es ging, zu vergewissern, dass bei ihr alles in Ordnung war.
Jimmy tippte mir auf die Schulter. Ich wandte den Kopf, und er deutete mit dem Kinn auf Quinn. Der Gargoyle starrte Megan mit einem Ausdruck in den Augen an, den ich sofort wiedererkannte: Faszination und vollkommene Hingabe.
„Er liebt sie“, flüsterte Jimmy. „Solange er hier ist, kann ihr nichts und niemand etwas anhaben.“
Für einen Moment schloss ich die Augen und erinnerte mich daran, wie es gewesen war zu wissen, dass Jimmy mich auf genau diese Weise liebte, und was es bedeutete, diese Liebe zum Wohle der Welt zerstört zu haben.
Es war einfach beschissen. Aber ich würde es wieder tun.
Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte,
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