Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
Südens oder auch Türkisberg. Dort hatte Sawyer den Stein gefunden, den ich um den Hals trug. Dieser Berg war magisch und gehörte ihm.
Er hat einen geheimen Ort am Ufer eines klaren, kühlen Bergsees, wo er Rituale durchführt, weil er es an keinem anderen Ort wagt. Vielleicht ist es das, was mich hierhergezogen hat, ein Ritual, ein Zauber, Magie.
Ich stehe in der Nacht am See und lausche auf das Rumoren des Berges. Vor ein paar Millionen Jahren war Mount Taylor ein aktiver Vulkan, und immer noch erbebt er manchmal, wenn Sawyer über seine Oberfläche geht. Ich warte darauf, dass er – wie schon so oft – zwischen den Bäumen hervortritt, doch er tut es nicht.
»Sawyer?«, flüstere ich.
Der Wind fährt mir durchs Gesicht und bringt den Geruch von Wasser, Kiefern und Erde mit sich. Das ist Sawyers Geruch, aber auch der der Berge. Ist er nun hier oder nicht?
Dann erhasche ich eine Spur von Rauch. Mit den Augen suche ich die Dunkelheit ab, doch nirgendwo ist das verräterische Glimmen zu sehen. Ich atme ein. Kein Waldbrand, nicht einmal ein Lagerfeuer, sondern Zigarettenrauch.
»Ich weiß, dass du da bist.«
Ein Streichholz wird angerissen; das Aufflackern der Flamme zieht meinen Blick auf sich. Bevor das winzige Feuer wieder erlischt, sehe ich für einen kurzen Augenblick den Schatten …
… eines Wolfes.
Sawyer kann sich in viele verschiedene wilde Tiere verwandeln, doch der Wolf ist sein Geisttier. Vielleicht steht ihm jetzt als Geist nur noch diese Gestalt zur Verfügung.
Der Zigarettenrauch zieht weiter in meine Richtung. Ich atme ihn gierig ein wie ein lebenslanger Raucher nach zwei Jahren Abstinenz.
Ich nehme an, dass Sawyer schon raucht, seit die Mayas den Tabak erfunden haben. Wahrscheinlich hat er ihnen überhaupt erst gezeigt, wo sie ihn finden konnten. Deshalb bin ich auch nicht überrascht, dass er sogar im Tod noch über eine Zigarette verfügt.
Ein winziges orangefarbenes Glühen lenkt meinen Blick auf den Wald. Ohne nachzudenken laufe ich los, aber bevor ich dort ankomme, ist es schon verschwunden.
In einiger Entfernung setzt das leise Brummen eines Motors ein. Meine Brust wird plötzlich schwer, als würde sie von etwas niedergedrückt werden. Verzweiflung vielleicht. Jedes Mal, wenn Sawyer verschwindet, erinnert mich das an den Tag, an dem er starb. Denn er hat sich in Luft aufgelöst, gleich nachdem ich ihn umgebracht hatte.
Er war tot und verschwunden. Keine Leiche, keine Asche, kein Sawyer.
Ich wende mich wieder zum See. Auf der Oberfläche spiegeln sich Wolken in Form eines Wolfes, aber als ich dann nach oben sehe, sind die Wolken ebenso verschwunden, wie Sawyer es zu sein scheint.
»Wo bist du?«, schreie ich.
»Überall.«
Die Stimme kommt von rechts hinter mir. Ich fahre herum. Wieder nichts als Rauch.
»Bin ich in deinem Traum?«
»Tote träumen nicht, Phoenix.«
»Nenn mich nicht so.«
Er hatte mich schon immer so genannt, und es hatte mich nie gestört. Doch dann hatte ich meine Mutter kennengelernt und gehört, dass er sie bei demselben Namen rief. Und ich hatte herausgefunden, dass die beiden ein Paar gewesen waren, und dass er sie hatte umbringen müssen.
Sein Seufzen ist der Wind, in dem eine Spur von Regen liegt. »Wie soll ich dich denn sonst nennen? Lizzy?«
»Du willst mich wirklich Lizzy nennen?« Jimmy ist der Einzige, der mich jemals so genannt hat.
Der Berg rumpelt unter meinen Füßen. Also eher nicht.
»Wenn ich nicht in deinem Traum bin, was ist das hier dann?«
»Nur ein Traum … Elizabeth.«
Der Name streicht mir durch die Haare, als würde Sawyer selbst sie berühren. Lehrer, Bibliothekare, Sozialarbeiter, Anwälte, Polizisten – Menschen, die mich nicht kennen, und von denen ich das auch nicht will, nennen mich Elizabeth. Aber Sawyer kennt mich doch. Wahrscheinlich sogar besser als irgendjemand sonst. Wenn er Elizabeth murmelt, gefällt mir das.
»Also« – genau an der Stelle fahre ich mit den Fingerspitzen über meine Haare, wo ich ihn zu spüren geglaubt habe – »bist du nur in meinem Kopf?«
»Wo möchtest du mich denn sonst haben?«
Ich kann seine Wärme an meinem Rücken spüren, als wäre er hier bei mir. Ich lehne mich an ihn, und die Wärme und der Druck nehmen zu. Er fühlt sich so unfassbar da an. Aber wenn ich mich umdrehe und versuche, ihn zu sehen, wird er verschwunden sein. Stattdessen schließe ich die Augen und wünsche mir, dass er mich festhält.
Mir war nicht bewusst gewesen, wie allein ich mich
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