Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
Ich machte eine knappe Bewegung mit der Hand, und die Fee flog ein paar Meter durch die Luft. Mit einem Plumps und einem Grunzen landete sie auf ihrem perfekten Hintern. Staub ergoss sich über ihre makellosen Stiefel. Ein tiefes Grollen, das nicht zu ihrem Äußeren passte, drang aus ihrem Inneren. Sie hob die Hände und schoss funkelnden Staub aus ihren Fingerspitzen.
Kühl und etwas klebrig trafen mich die Partikel im Gesicht. Ich schloss die Augen, und als ich sie wieder öffnete, schienen Diamanten in meinen Wimpern zu glitzern. Aber ich blieb auf den Beinen und spürte keine Veranlassung, wie ein Huhn zu gackern. Stattdessen streckte ich ihr die Zunge raus.
Jimmy seufzte. »Es ist einfach nicht fair, Summer eins vor den Latz zu geben, wenn sie sich nicht wehren kann.«
»Nicht fair« – ich ließ meinen Blick über die Fee wandern, während sie sich aufsetzte und versuchte, den Dreck von ihrer Jeans zu wischen, es damit allerdings irgendwie schaffte, ihn nur noch tiefer hineinzureiben – »aber fein.«
Jimmy verzog die Lippen zu einem Grinsen. Ich ebenfalls. In manchen Augenblicken fühlte es sich fast so an, als hätte sich nichts geändert.
Dann wurde sein Mund hart, seine Augen verdunkelten sich, und er wandte sich ab.
Zu anderen Zeitpunkten wiederum wusste ich, dass sich alles geändert hatte.
Es gab so viele Dinge in Jimmys Leben, die ich nicht verstand. So viele Jahre waren wir getrennt gewesen, Jahre, in denen ich geglaubt hatte, er würde sich durch den ganzen Supermodel-Club der Sports Illustrated pimpern. Das hatte er vermutlich auch getan. Aber zwischen den Pimper-a-thons hatte er Dämonen gejagt. Eine ganze Menge Dämonen sogar.
»Du wusstest nicht, dass sie Macht über die Sonne hat?« In Jimmys Stimme lag nicht der leiseste Hauch von Wärme.
»Nein«, sagte Ruthie sanft. »Diese Kraft könnte sie von ihrer Mutter geerbt haben.«
»Der Phönix war in Ägypten das Symbol des Sonnengottes«, murmelte Jimmy. »Das wäre also möglich. Hast du ihre Mutter jemals das tun sehen, was sie gerade getan hat?«
» Sie steht direkt neben dir«, sagte ich.
Keiner beachtete mich.
»Nein«, sagte Ruthie wieder. »Aber das heißt noch nicht, dass sie es nicht konnte.«
»Sawyer?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
Ruthie sah Jimmy aus ihren dunklen, sanften Augen an. Ruthie war immer sicher.
»Was ist mit ihrem Vater?«
»Keine Ahnung, wer er ist.«
»Heißt keine Ahnung, dass du keine Ahnung hast?«, warf ich ein. »Oder sagst du nur, dass du keine Ahnung hast, obwohl du heimlich doch eine hast?«
»Was?«, fragte Jimmy.
»Sie hatte auch gesagt, sie wüsste nicht, wer meine Mutter war, und dann – Überraschung! – hat sie es doch gewusst.«
»Ich glaube immer noch, du hast mit irgendwas geschlafen und dessen Kräfte in dich aufgenommen«, murmelte Summer.
»Ich glaube immer noch, ich sollte dir eine Stahlstange in den Hals rammen und dich unter einer Eberesche begraben, damit du nie wieder aufstehst.« Ich zuckte die Achseln. »Aber wir bekommen eben nicht immer, was wir uns wünschen.«
»Mädchen«, sagte Ruthie. »Es reicht jetzt.«
Summer und ich verstummten und begnügten uns damit, uns gegenseitig wütende Blicke zuzuwerfen, anstatt uns physische Gewalt anzutun.
»Warum bist du hier?«, fragte Jimmy wieder.
»Ruthie hat gesagt, du würdest Hilfe brauchen.«
Jimmy sah Luther missmutig an. »Ich wäre damit schon fertiggeworden.«
»Genau. Ihr habt euch hier richtig toll geschlagen«, murmelte ich und fing mir dafür einen wütenden Blick von Sanducci ein, der perfekt zu dem grimmigen Ausdruck passte, mit dem mich die Fee noch immer ansah.
Ein greller Lichtblitz lenkte seinen Blick hinter mich, und unter seinem olivfarbenen Teint wurde er leichenblass. »Was zur Hölle ist das?«
Ich fuhr herum. Was um alles in der Welt konnte Sanducci derart erbleichen lassen?
Faith – wieder als pausbäckiges Baby – hatte ihr Gesicht gegen die Fensterscheibe gedrückt. Ihre grauen Augen glänzten voller unvergossener Tränen, und sie trommelte mit den Fäusten gegen die Scheibe. Ihre nackte Brust hob sich unter einem Atemzug, als sie zu einem Schrei ansetzte, der zweifelsfrei sämtliche Trommelfelle in der näheren Umgebung hätte zerfetzen können.
Wieder hatte sie menschliche Fähigkeiten viel zu schnell ausgebildet, um wirklich ein Mensch zu sein. Noch vor ein paar Tagen musste ich ihr Köpfchen halten, als wäre sie ein Neugeborenes. Jetzt stand sie auf ihren eigenen
Weitere Kostenlose Bücher