Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
Ausdruck auf seinem Gesicht. »Da war ich schon.«
Dazu konnte ich nicht viel sagen. Wir hatten einander die Hölle auf Erden bereitet. Er hatte mich gebissen; ich hatte ihn gebissen. Wir waren beide zu Vampiren geworden, und es gab keinen Weg zurück.
»Warte.« Ich streckte den Arm aus und griff nach seinem Oberarm. Im gleichen Augenblick durchfuhr mich ein Ruck.
Bilder überfluteten mich – von uns als Kindern, Teenagern, Heranwachsenden, im Bett, neben dem Bett, unter dem Bett. Ich sah Bruchstücke unserer Träume – das Haus, die Familie –, all die Dinge, die wir nie wirklich gehabt hatten und niemals haben würden.
Abgelöst wurden diese Gedanken von der Erinnerung an mich als Vampir – wie ich Jimmy anlüge, ihn verführe und noch Schlimmeres. Ich riss meine Hand zurück und rieb sie an meiner Jeans.
Er hatte ja recht. Ich wusste nicht, ob wir darüber hinwegkommen würden. Unsere Liebe war zu eng mit Schuld verbunden, Begehren mit Blut, Hoffnung mit Hass, Träume mit Angst.
Ich steckte die Hände tief in die Taschen, damit ich nicht noch einmal in Versuchung kam, ihn zu berühren. »Wirst du für Faith sorgen und sie beschützen?«
»Faith – das heißt doch Glaube, nicht wahr? Deine Frage klingt wie eine Sonntagspredigt.«
»Jimmy.« Er versuchte, einer Antwort ebenso auszuweichen wie meinem Blick.
»Ich kann nicht gut mit Kindern, Lizzy.«
»Sie ist aber kein Kind.«
»Ich kann auch nicht gut mit Gestaltwandlerbabys.«
»Was ist bloß los mit dir?«, fragte ich sanft. »Ich habe dich schon um schlimmere Dinge gebeten, als auf ein Katzenkind aufzupassen.«
»Ich habe dir jede Bitte erfüllt.«
Etwas in seiner Stimme schnürte mir die Kehle zu und ließ mich hart schlucken. Als ich mich schließlich wieder unter Kontrolle hatte, murmelte ich: »Dann kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an.«
13
H at er nicht schon genug für dich getan?«
Summer hatte Luther und Faith sich selbst überlassen und kam zu uns herübergeflattert, um sich in unser Gespräch einzumischen.
»Ja«, sagte ich.
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber als ihr auffiel, dass ich ihr zugestimmt hatte, schloss sie ihn wieder. Summer wusste ebenso wenig damit umzugehen, wenn ich freundlich zu ihr war, wie ich es im umgekehrten Fall gewusst hätte.
»Aber trotzdem brauche ich seine Hilfe. Und ich muss aufbrechen, am besten noch heute.«
»Er will dich davon abhalten zu gehen«, sie warf Jimmy einen empörten Blick zu, »indem er sich wegen des Babysittings ziert. Denk doch mal mit.«
O Mensch, das klang logisch.
»Also gute Reise«, sagte Summer. »Lass dich nicht umbringen.«
»Hätte nie gedacht, dass dir was daran liegt.«
»Tut es auch nicht. Das Problem ist nur: Wenn du stirbst, haben wir wieder das Jüngste Gericht am Hals – einen neuen Anführer der Dunkelheit, Tod, Zerstörung, einen Riss in der Höllenpforte und so weiter. Das langweilt mich.«
»Ja, die Sache wird auf Dauer ein bisschen öde. Ich versuche also, mich nicht töten zu lassen, um dein Leben nicht zu ruinieren. Um noch mal auf das Baby zurückzukommen … «
»Ich passe auf sie auf.«
Das würde tatsächlich funktionieren. Summer mochte zwar aussehen wie ein zierliches, blondes Rodeo-Groupie, aber sie war nicht ungefährlich. Außerdem hatte sie in New Mexico so was wie eine Festung.
»Du bringst sie in dein Landhaus?«, fragte ich.
»Natürlich.«
»Und Luther?«
»Ohne ihn gehe ich hier nicht weg.«
»Und was ist mit … ?«
Wir beide drehten uns zu Jimmy um. Er sah uns ausdruckslos an.
»Ich könnte ihn k. o. schlagen und auch mitnehmen«, überlegte Summer.
Ja, das sollte funktionieren.
»Hast du goldene Ketten?«, fragte ich.
»Nicht bei mir.«
»Ich habe ein paar im Kofferraum des Wagens, die kann ich dir leihen.«
»Gute?«
»Bei mir haben sie funktioniert.«
»Das müsste reichen.«
Jimmy hob die Augenbrauen. »Seid ihr bald fertig?«
»Du fährst mit Summer zurück nach New Mexico. Möchtest du es auf die sanfte oder auf die harte Tour?«
Jimmy zog schlagartig die Augenbrauen zusammen und ballte die Fäuste. »Ich möchte zu gerne sehen, wie du das versuchst.«
»Ich möchte auch zu gerne sehen, wie ich es versuche.«
Kampfeslustig ging ich einen Schritt auf ihn zu. In diesen Zeiten war das manchmal die einzige Möglichkeit, sich wie ein Mensch zu fühlen.
Aber Jimmy löste die Fäuste und hielt eine Hand hoch. »Eine Menge Menschen – oder auch Un-Menschen«,
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