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Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)

Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)

Titel: Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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ragten wie Kienspäne aus einem viel zu großen Rock hervor, meine Schultern bestanden nur aus Haut und Knochen. Unter einem Sweatshirt, in dem ich zu ertrinken drohte, zeichneten sich sanft die Rundungen meiner Brüste ab. Ein lauerndes Kind, gierig und versteinert zugleich, kurz davor, eine Frau zu werden.
    Da war ich auf dem Schwebebalken in der Highschool, unter dem hautengen Trikot konnte man meine Stripteasetänzerinnen-Figur gut erkennen, und in meinen Augen spiegelte sich die Liebe zu diesem Sport, zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich gut in etwas.
    Als Nächstes ein Fenster im zweiten Stock bei Ruthie, dahinter eine Silhouette. Es ist mein Fenster. Ich hatte die Arme gehoben, um mein Oberteil auszuziehen. Meine Haut sah im Mondlicht wie vergoldet aus. Ich hatte den Kopf gerade so weit gedreht, dass die Kamera mein Gesicht einfangen konnte. Ich hatte an ihn gedacht.
    »Spanner«, murmelte ich.
    »Lizzy, lass uns  … «
    Ich hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und er wich zurück, als hätte ich ihn schlagen wollen, woraufhin uns der Verkäufer einen kurzen, finsteren Blick zuwarf.
    »Na großartig«, flüsterte ich wütend. »Jetzt denkt er, dass ich dich schlage.«
    »Das tust du doch auch«, sagte Jimmy.
    Ich kniff die Augen zusammen. »Keine schlechte Idee.«
    Auf dem folgenden Bild wandte ich mich zur Kamera um, während ich die Stufen in Ruthies Haus hinabging. Mein Oberteil war verdreht, mein Rock zerknittert (weil er noch kurz zuvor bis zur Taille hochgeschoben gewesen war), meine Haare  – zu dieser Zeit lang  – wirkten so wirr und zerzaust, als hätte ich draußen in einem Wirbelsturm getanzt. Aber ich lächelte ein kleines Lächeln, das sagte: Außer dir gibt es niemanden auf dieser Welt.
    Ich hatte erwartet, dass das nächste Foto die Lücke offenbaren würde, die Jahre, nachdem er mich verlassen hatte und bevor er zurückgekehrt war. Stattdessen nahm mir der Anblick den Atem.
    Ich saß im Fenster, Regen lief über die Scheibe, sodass es aussah, als liefen Tränen über mein Gesicht. Ich hatte gerade bemerkt, dass Jimmy fort war.
    Als ich das nächste Bild sah, machte mein Herz einen Sprung. Es zeigte mich in Uniform, wie ich einen Penner durchsuchte, ihm mit dem Fuß die Beine auseinanderschob, während er sich über den Streifenwagen des Milwaukee Police Department beugte. Meine Haare waren jetzt kurz  – ich hatte sie abgeschnitten, weil mir auf den Geist gegangen war, dass mir Festgenommene ständig Kaugummi hineinspuckten  –, und mein Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst, der typisch frustrierte Ausdruck einer Stadtpolizistin.
    Es folgten weitere Fotos von mir  – alle während der Zeit aufgenommen, als Jimmy aus meinem Leben verschwunden war. Lachend auf einem Grillfest bei den Murphys, bei einer Zeugenaussage vor Gericht, in einem Ballkleid bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung und ganz in Schwarz bei Max’ Beerdigung. Das Foto von mir, wie ich allein am Grab stand, nachdem alle anderen gegangen waren, brachte diesen Tag so klar und deutlich zurück, dass meine Augen brannten.
    Jimmy war da gewesen. Er hatte auf mich aufgepasst. Ich wusste nicht, ob ich froh oder traurig sein sollte, glücklich oder richtig sauer.
    »Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass Leute Bilder aus meinem Leben in ihrem Wohnzimmer hängen haben.«
    »Die Bilder sind nicht zu verkaufen«, beeilte sich der Verkäufer zu sagen. »Dies ist nur ein Ausstellungsraum.« Er deutete auf die vielen Schildchen, die in regelmäßigen Abständen angebracht waren und auf denen UNVERKÄUFLICH stand. Ich hatte sie überhaupt nicht bemerkt.
    Mein Blick streifte Jimmy, doch der hatte sich zum rückwärtigen Fenster zurückgezogen und schien von dem Anblick der Allee hinter der Galerie über die Maßen fasziniert zu sein.
    »Haben Sie gedacht, sie wären wegen der Farbgebung hier?«, fragte der Mann.
    »Nicht direkt«, sagte ich.
    Jeder, der ein Herz hatte, konnte sehen, dass die Unterschiede in den Bildern von einem Unterschied im Fotografen herrührten. Seine anderen Motive hatten ihm etwas bedeutet  – aber dieses hatte er geliebt.

25
    R echts neben der Tür hing ein allerletztes Bild. Es war erst vor ein paar Monaten aufgenommen worden, und zwar auf dem Hof des Milchbauern, bei dem Jimmy früher gearbeitet hatte. Es zeigte mich schlafend auf einem Feldbett in der Sattelkammer. Die untergehende Sonne schien durch die Fenster über mir herein und tauchte mich in ein weiches,

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