Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
fahles Licht.
Das auffällige Fehlen jeglicher Bilder nach diesem Zeitpunkt erzählte eine Geschichte, die mir das Herz brach, obwohl ich die Wahrheit seit einiger Zeit geahnt hatte. Jimmys Liebe war verschwunden.
Zu schade, dass meine es nicht war.
Ich verließ die Galerie so schnell ich konnte, ohne auf Jimmy zu warten. Draußen ging ich den Weg zum Hotel zurück. Mein Magen war viel zu aufgewühlt, an Kaffee war nicht mehr zu denken.
Jimmys Liebe zu mir so lebendig für die Nachwelt festgehalten zu sehen, hatte mich schon genug aus der Fassung gebracht. Aber auch zu erkennen, dass es diese Liebe jetzt nicht mehr gab, das war so, als würde ich ihn noch ein weiteres Mal verlieren, so wie damals mit achtzehn.
»Lizzy!«
Jimmy lief mir auf dem Fußweg hinterher. Es hatte keinen Sinn zu versuchen, ihm davonzulaufen. In unserer menschlichen Gestalt verfügten wir beide über die gleichen Kräfte. Und mich am helllichten Tag und mitten auf der Straße in einen Phönix zu verwandeln, gehörte nicht zu den Dingen, die ich zu tun gedachte, nicht einmal, um ihm zu entkommen.
Ich ließ Jimmy aufholen, und wir gingen schweigend ein paar Häuserblocks weiter, bevor er sprach. »Es tut mir leid. Ich wusste, dass sich ein paar von den Bildern hier in New Orleans befinden, und eine der Ausstellungen … «
»Waaas?« Ich blieb stehen und zog ihn zur Seite. »Es gibt da draußen noch mehr davon?«
»Ich … ähm … brauchte einfach das Geld. Ich konnte nicht mehr so viel arbeiten wie sonst, bei all dem … « Mit seiner langgliedrigen Hand machte er eine vage Bewegung.
»Chaos?«, schlug ich vor, »Tod, Zerstörung, Mord, Vergewaltigungen?«
»Ich hätte dir vor unserer Abreise von der Galerie in New Orleans erzählt«, murmelte er.
»Wirklich?«
Er sah zur gleißenden Sonne hinauf. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Deswegen bin ich nicht hier.«
»Weswegen bist du dann hier?«
Er sah mir in die Augen. »Du weißt, warum.«
»Weil Ruthie es dir gesagt hat, und weil du immer tust, was sie sagt.«
In seinen Augen flackerte etwas auf, etwas Wütendes, Brutales. »Du etwa nicht?«
»Doch.« Ich ging wieder in Richtung Hotel. »Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.«
Mein stilles Eingeständnis besänftigte ihn, und er lief neben mir her. Wir schwiegen, bis wir wieder im Hotelzimmer waren. Ich setzte mich auf den einzigen Stuhl, der an einem kleinen Tisch in der Ecke stand.
Jimmy setzte sich aufs Bett. »Hast du den Fellläufer gefunden, nach dem du gesucht hattest?«
»Ja, das habe ich.«
»Ich nehme an, er hat dir geholfen, Sawyer heraufzubeschwören, und der hat dich dann hierhergeschickt?«
»Nein«, sagte ich. »Sani zufolge befindet sich Sawyer zwischen den Welten.«
»Wie ist das passiert?« Bevor ich antworten konnte, dämmerte eine Art Verständnis in Sanduccis Augen auf. »Du hast ihm geholfen.«
»Das war nicht meine Absicht.«
»Lizzy, du hast in deinem ganzen Leben noch nie etwas getan, das du nicht wolltest.«
»Das stimmt nicht«, sagte ich. »Und gerade du solltest das besser wissen als jeder andere auf der Welt.«
Jimmy fluchte leise.
Genau wie Jimmy Dinge getan hatte, von denen er mir nichts erzählt hatte, so hatte ich Dinge getan, von denen er nichts wusste. Es ist kaum zu glauben, was man zu tun bereit ist, wenn man acht Jahre alt ist, nirgendwo hingehen kann und nichts zu essen hat.
»Das hätte ich nicht sagen sollen«, murmelte er.
»Meinst du?«
Er ignorierte meinen Seitenhieb, vermutlich weil er weniger nach Sarkasmus klang als nach einer ernsthaften Frage aus dem Mund des Kindes, das ich einst war – zu Tode verängstigt, aber darauf angewiesen, es niemandem zu zeigen.
»Du wolltest Sawyer nicht töten«, fuhr er fort.
Die Überraschung verschlug mir die Sprache. Jimmy hatte also gar nicht auf meine Kindheit angespielt, sondern auf Sawyer. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich geschaltet hatte. Dann sagte ich ihm die Wahrheit.
»Ich wollte Sawyer töten, und zwar so sehr, wie ich noch nie in meinem Leben etwas gewollt habe.«
Sein Gesicht, in das sich zunächst Schreck und Kummer eingegraben hatten, glättete sich nun. »Das war der Dämon, Lizzy, das warst nicht du.«
»Das Blut war aber an meinen Händen.« Außerdem war es auf meinen Füßen, in meinem Gesicht und so ziemlich überall sonst gewesen.
»Wenn der Dämon die Kontrolle übernimmt, bist du nicht mehr du selbst.«
»Das weiß ich hier drin«, ich deutete auf meinen Kopf. »Aber hier?« Und ich
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