Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
ich nie ein Alphatier sein.
Aber …
Er öffnete das Maul, und auf einmal verstand ich, dass er in jeder Hinsicht ein Wolf war.
Als ich ihn nach Ruthies Tod das erste Mal berührt hatte, waren die Äonen seines Lebens an mir vorbeigeströmt, Menschen, die er gemordet, Frauen, die er geliebt, und die vielen verschiedenen Lebensformen, in denen er gelebt hatte. Saywer hatte als Wolf gelebt und sich auch als Wolf gepaart.
Igitt! Vergiss es.
Versuch es mal, Phoenix. Es gefällt dir bestimmt.
Er bewegte sich mit Lichtgeschwindigkeit, die für ihn in der Wolfsgestalt ganz typisch war, einer Geschwindigkeit, die ich dank ihm und Jimmy in Mensch- und Tiergestalt besaß. Dennoch konnte ich ihm nicht entkommen. In dem winzigen Zimmer hatte ich keinen Ausweg.
Er rieb sich an mir – und mir wurde sofort klar, was er gemeint hatte; ich spürte es selbst. Diese animalische Lust, dieser kaum zu bremsende Wunsch, genommen zu werden: über den Sex für ein paar Minuten alles zu vergessen, die Vereinigung zweier Körper, aber ohne diesen ganzen menschlichen Ballast von Gedanken und Gefühlen, einen Orgasmus, der mich buchstäblich zum Heulen brächte.
Bei dieser Vorstellung zuckte ich zusammen, sprang mit einem Satz aufs Bett und stand dort steifbeinig an der Kante und legte meine ganze Wut in ein kehliges Knurren. Saywers Muskeln traten hervor, als mache er sich zum Sprung bereit; ich fletschte die Zähne, schob meine Lefzen so weit zurück, dass mein leuchtend rotes Zahnfleisch zu sehen war.
Das war mein Platz – also höher stehend. Er sollte gefälligst dort unten bleiben, wo ihn die mangelnde Größe unterwürfig machte. Notfalls würde ich mit ihm kämpfen. Wahrscheinlich würde ich verlieren, aber es konnte nur ein Alphatier geben, und das war ich.
Als wenn gar nichts geschehen wäre, sprang Saywer aufs andere Bett, drehte sich dreimal um die eigene Achse, bevor er sich fallen ließ, die Schnauze unter den Schwanz steckte und die Augen schloss.
Mein Herz, das bei der Auseinandersetzung schneller geschlagen hatte, beruhigte sich allmählich wieder. Er hatte es gar nicht so gemeint, wie er es gesagt hatte. Saywer hatte mich mal wieder hochgenommen, seine Spezialität. Das tat er mit jedem. Und doch …
Bei seiner Berührung waren so starke Bilder in meinen Kopf geschossen – verrückt, belebend, angsteinflößend und aufregend zugleich. Mein Körper hatte erwartungsgemäß reagiert, ein Pochen und Pulsieren an Stellen, die ich schon seit über einem Monat nicht mehr gespürt hatte. Vor ihm noch nie so gespürt hatte.
Ich versuchte, dem Drang zu widerstehen, mir wie Saywer kreisend eine Kuhle zu schaffen, um mich darin einzugraben, doch vergeblich. Vielleicht war ich Frau und Wölfin, aber in dieser Gestalt war die Wölfin schwer zu ignorieren.
Überraschenderweise – oder auch nicht – schlief ich sofort ein. Klar, die Adrenalinschübe von all den Kämpfen, mit den Lukanern, der Frau aus Rauch, Saywer, ganz zu schweigen von dem eigenen Tod, wenn auch nur dem Namen nach, hätten mich eigentlich wach halten sollen. Aber die Enttäuschung nach all dieser Aufregung war kräftezehrend, genauso das Gestaltwandeln und bestimmt auch der Heilungsprozess, der immer noch im Gang war.
Im Traum waren die Dinge, die ich in Saywers Kopf gesehen hatte, die Erinnerung an unsere gemeinsamen Erlebnisse in New Mexico, unmöglich zu vergessen.
Saywer und ich im Mondschein unter dem Sternenhimmel. Meine Hände gleiten über seinen Körper, mit den Fingern fahre ich an seinen Tätowierungen entlang, nehme das Wesenhafte seiner Tiergestalt, seines Selbst, in mir auf. Blitze zucken, die Erde bebt, flammend lodern die Kräfte, die er in mir entfesselt hat.
Von jener Nacht träumte ich und dann von dieser. Wie wir als Wölfe zusammenkamen, die reine tierische Lust, der Sex nur um des Sex willen, keine Zukunft oder Vergangenheit, ein bloßer Austausch von Körpersäften. Es gab nur das Jetzt, nur uns und den fast brutalen Rhythmus, den sein Körper in meinem weckte.
In meiner Vorstellung, in meinem Traum war ich gleichzeitig Frau und Wölfin. Meine Gestalt schillerte, wechselte hin und her … wie seine auch. Das Bett hing durch, wenn er zwischen den Formen hin- und hersprang; die Wölbung seines Körpers in der einen, die Glätte seiner Haut in der anderen Gestalt.
Seine Haut war mit den Bildern seiner Tiere gezeichnet – ein Wolf auf dem Bizeps, ein Puma auf der Brust, ein Adler im Flug am Hals. Für mich war es belustigend und
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