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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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gar als Rohrreiniger in einem Atomkraftwerk, dann gute Nacht. Und hier riskierte er seinen Verstand. Aber das war nun schon über ein Jahr gutgegangen, wer 194
    sagte ihm denn, daß es überhaupt schlimmer wurde?
    So hatte er wenigstens regelmäßig Lohn. Und Aroin.
    »Ist es denn so wichtig, daß du dich an gestern erinnern kannst?« fragte der Boß.
    »Das nicht. Aber es ist eine Schweinerei, das müssen Sie zugeben, die UNION kassiert Hunderte von Dollars, und ich werde mit ein paar Nickel abgefrüh-stückt. Legen Sie ein Wort ein, daß ich mehr Lohn bekomme, ja? Bitte.«
    Der Boß schüttelte den Kopf.
    »Wenigstens `ne Prämie«, bettelte Sam. »Zwanzig Dollar.
    Oder zehn? Fünf? Ich brauch gerade dringend ein paar Mäuse.«
    »Wofür?«
    »Wofür schon, für Aroin.«
    »Geld kann ich dir nicht verschaffen«, sagte der Boß. Er zog eine Schublade auf und hielt Sam eine Ampulle hin. Eine Doppelration Aroin.
    »Geben Sie schon her«, sagte Sam. »Was schert mich, was gestern war. Heute ist heute, und gestern ist morgen schon vorgestern.«

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    Eine Nacht im MEZOAfU-M

    Herbert G. Nom sang. Er brüllte geradezu, um sich wachzuhalten. Er war hundemüde, ach was, müde wie ein uralter, eisgrauer Grizzly kurz vor dem Win-terschlaf. Außerdem blitzte und donnerte es, die Scheibenwischer schafften es kaum, die Wasserflu-ten zu teilen, und das Licht der Scheinwerfer fiel ein paar Meter vor dem Wagen mit dem Regen zu Boden. Trotzdem fuhr Nom fast achtzig. Er wollte die Gewitterfront so schnell wie möglich hinter sich lassen, und er war sicher der einzige, der mitten in der Nacht diese gottverlassene Waldchaussee befuhr.
    Immer wenn es gewitterte, sang er. Selbst zu Hause, selbst wenn er Gäste hatte, zog er sich zurück, schloß sich in seinem Arbeitszimmer ein, zog die Vorhänge zu, setzte sich mit dem Rücken zum Fenster und sang, so laut es irgend ging, ohne daß die anderen es hören konnten. Seine Familie nahm es kommentarlos hin, alle taten, als wüßten sie nicht, was Nom jetzt trieb, als glaubten sie tatsächlich, ein dichterischer Einfall sei über ihn gekommen. »Wie ein Blitz aus heiterem Himmel«, so die Hausfrau als Erklärung für neue Gäste, die Noms Flucht vor den Elementen zum ersten Mal erlebten. Sie hatte es schon so oft gesagt, daß sie nicht einmal mehr dabei lächelte.
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    Ein langes Gewitter. Nom hatte bereits all die Lieder seiner Jugend durch; »Du hast ja ein Ziel vor den Augen« hatte er sogar zweimal und »Spaniens Himmel« schon dreimal gesungen, und die Dunkelheit wollte kein Ende nehmen. Er stimmte »Hänschen-klein« an, dann »Alle meine Entchen«. Er bereute zutiefst, daß er nicht in Niendorf geblieben war. Die Vorsitzende des Literaturzirkels hatte ihn überaus herzlich eingeladen, bei ihr zu nächtigen, ein Angebot, das er unter anderen Umständen gewiß nicht ausgeschlagen hätte; sie war eine jener Frauen, die Nom immer wieder faszinierten und die was er sich nie eingestanden hätte einer der Gründe für seine Rundreisen waren, denn es gab kaum einen Kreis von Literaturfreunden, in dem nicht wenigstens eine Frau dieses Typs vertreten war. Im Gegensatz zu so vielen seiner Kollegen schwärmte Nom nicht für die jungen, schlaksigen, skeptischen Dinger, sondern für reife Frauen mit vollen Brüsten und gläubigen Augen. Zu seinem Leidwesen hatte seine Frau nicht gehalten, was er sich versprochen hatte, sondern hielt sich mit albernen Diäten und Gymnastik »in Form«, wie sie es nannte, formlos, wie Nom fand.
    Die Literaturfreundin in Niendorf hatte während der Lesung nicht einen Blick von ihm gelassen, und ihre Augen hatten mehr versprochen als nur ein poetisches Plauderstündchen vor dem Zubettgehen, aber Nom hatte schnell Weg und Zeit berechnet und sich 197
    entschlossen, doch gleich weiterzufahren, damit er früh ausgeschlafen und nach einem ausgiebigen Frühstück, ohne das er sich den Anstrengungen des Tages nicht gewachsen fühlte noch vor der ersten Lesung zu jener Adresse gehen konnte, die ihm vorgestern in Bitterfeld ein begeisterter Zuhörer genannt hatte, und wo Nom, wenn er sich auf diesen Freund seiner Poesie berief, mit Sicherheit einen Vorschalldämpfer bekommen könne.
    Ja, das war eine der Annehmlichkeiten seiner literarischen Tourneen, die er sich viermal im Jahr orga-nisierte und auf denen er jeweils ein exakt berechnetes Gebiet abgraste, um mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an kultureller Massenarbeit in Schulen, Betrieben, Armee-Einheiten, Büchereien

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