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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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komfortabel eingerichtet, das Bett bequem, wie Nom sich als erfahrener Hotelgast sogleich überzeugte; was ihn verwunderte, war der leere Bilderrahmen. Beim Studium der »Hinweise für unsere Gäste« erfuhr er, warum. Er solle selbst anhand der beigefügten Nomenklatur ein Bild seiner Wahl einstellen. Nom suchte sich eine »abendliche Harzlandschaft« aus, und kaum hatte er den INPUT-Knopf am Rahmen gedrückt, da leuchtete ein Son-nenuntergang über dem Hexentanzplatz auf, so echt, als schaue man nicht auf ein Bild, sondern durch ein Fenster. »Alle Donnerwetter noch mal«, flüsterte Nom ehrfürchtig.
    Er duschte, rasierte sich, nahm reichlich »Old Spi-ce After Shave Lotion«, zog sich um und fuhr hinunter, in der Hoffnung, die Dame aus dem Fahrstuhl wiederzufinden.
    Der Speisesaal war nahezu leer, und die wenigen Gäste irritierten ihn. In einer Ecke tafelten Männer, die gerade von einem Kostümfest gekommen zu sein schienen: Sie sahen aus wie Bilderbuchräuber und 205
    sangen: »Semsi, Semsi, tu dich auf«, dann krähte einer »Simeli, Simeli«, und alle lachten dröhnend.
    Gleich neben dem Eingang stierte ein Männchen in sein Glas und murmelte leise vor sich hin; Nom klang es, als er vorbeiging, wie »… heute back ich, morgen brau ich…«
    Unwillkürlich ergänzte er »… übermorgen hol ich mir der Königin ihr Kind«, dann mußte er lachen. Er vergewisserte sich schnell, daß der Gast es nicht mitbekommen hatte, er wollte ihn schließlich nicht kränken, und der Mann mußte so schon todunglücklich sein über sein zerknittertes Gesicht, mit dem er auch ohne Maske das Rumpelstilzchen hätte spielen können.
    Ein seltsames Pärchen kam ihm entgegen, der Herr in Frack und Zylinder, die Frau dagegen in einem Lumpenkleid, wirre, verfilzte Strähnen lugten unter ihrem löchrigen Kopftuch hervor. Als der Herr artig seinen Zylinder lüpfte und Nom mit einem Lächeln begrüßte und dabei zwei gewaltige Eckzähne entblößte, die unmöglich echt sein konnten, ging Nom ein Licht auf: sicher hatte hier ein Maskenball stattgefunden. Die beiden sahen haargenau aus wie Graf Dracula und die Hexe aus »Hansel und Gretel«.
    So wunderte er sich auch nicht, als ein dicker Mann mit hochrotem Gesicht ihn ansprach, sich als Brabutz vorstellte und fragte, ob Nom nicht einen Kuckuck für ihn habe.
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    »Vielleicht morgen«, antwortete Nom, der es
    schon immer vorgezogen hatte, Betrunkenen nicht zu widersprechen.
    Am Ende des Speisesaals war die Tür zu einem Nebenraum nur angelehnt. Als Nom einen Blick hi-neinwarf, brüllte ihm eine Stimme entgegen: »Herein, wenn's kein Schneider ist!« Du mußt dringend einen Mokka trinken, sagte sich Nom, du bist übermüdet, denn einen Augenblick schien es ihm, als sä-
    he er in der Finsternis des Raumes Riesen hocken.
    Die Bar war leer. Nom setzte sich auf einen der Hokker und bestellte Mokka double.
    »Tut mir leid«, sagte die Bardame, »warme Ge-tränke nur im Speisesaal.« Sie schob ihm die Karte hin. »Sicher finden Sie auch hier etwas nach Ihrem Geschmack.«
    »Geben Sie mir irgend etwas. Zum Aufmuntern.«
    Nom überlegte krampfhaft, wo er die Bardame schon gesehen hatte.
    »Bitte schön, ein Elixier des Teufels.« Die Bardame stellte ihm einen Pokal hin. »Sehr zum Wohle.«
    »Sie kommen mir so bekannt vor«, sagte Nom.
    »Ach«, erwiderte sie lächelnd, »mich kennen doch alle, ich bin die Pechmarie.«
    »Bei mir hätten Sie kein Pech«, beteuerte Nom und nahm einen tiefen Schluck. Das »Teufelselixier«
    verschlug ihm den Atem. Alles drehte sich vor seinen Augen. Nom glitt vom Hokker, bewahrte müh-207
    sam Haltung und tapste zum Ausgang. Er hätte zu so später Stunde keinen Alkohol trinken dürfen, schon gar keinen Cocktail, er kannte sich doch! Ein zauber-haftes Mädchen fragte, ob sie ihm helfen könne.
    Nom schüttelte bedauernd den Kopf. Nein, ihm war jetzt nicht zu helfen. Er mußte ins Bett. Und wie dringend! Gaukelte ihm nicht seine übermüdete und trunkene Phantasie vor, daß das junge Mädchen sich in eine warzige Hexe verwandelte und auf einem Besen davonritt?
    Nom erwachte, als es vor den Fenstern schon hell wurde. Er konnte sich nicht erinnern, wie er in sein Zimmer und in sein Bett gekommen war. Draußen jaulten Hunde. Entsetzlich. Es klang wie Wolfsge-heul. Nom ging pinkeln. Selbst hier im Bad und durch die geschlossene Tür vernahm er die widerli-chen Hunde. Er entschloß sich abzureisen. Er könnte jetzt ohnehin nicht wieder einschlafen, und so hatte er eine

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