Die Phrrks
»Al-so, warum?«
»Weil ich, ich wollte, ich dachte«, stotterte Sam.
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Verdammt, jetzt wurde er noch rot. Scheiße, was soll's. »Ich wollte mir notieren, was ich erlebe.«
»Was wolltest du?« Der Boß sah ihn ungläubig an.
»Ich will wissen, was ich so den ganzen Tag tue.«
»Aber das weißt du doch, oder?«
»Ja, jetzt«, sagte Sam, »aber morgen kann ich mich an nichts mehr erinnern. Erst wieder übermorgen. Verstehen Sie? Ich kann mich nie an das erinnern, was gestern war.«
Der Boß stieß einen Pfiff aus. »Aber übermorgen erinnerst du dich an alles?«
»Ja, übermorgen schon.«
»Ist es denn wichtig? Kannst du nicht den einen Tag warten?«
»Kann ich schon«, sagte Sam. »Aber es quält
mich, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich verstehe das nicht: Warum kann ich mich nie an gestern erinnern?«
»Machst du Überstunden in Block G?«
»Ja, jeden Tag. Zwei Stunden. Für vier Nickel.«
»Na, dann mußt du doch wissen, was mit dir los ist. Du hast doch eine Verpflichtung unterschrieben, oder?«
»Ja, hab ich«, gab Sam zu, »hab meinen Daumen unter den Wisch gedrückt.« Er zeigte dem Boß, welchen.
»Du kannst nicht lesen oder schreiben, was?«
»Nein. Woher auch.«
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»Hat man dir nicht erklärt, was du in Block G zu tun hast?«
»Bereitschaft«, sagte Sam.
»Immer wieder der gleiche Scheiß!« Der Boß
schüttelte den Kopf. »Diese Personalfreaks tun, was sie wollen. Du legst dich doch auf die Pritsche?«
Sam fuhr der Schreck in die Glieder. Das wußte der Boß also auch? Na, seinen Job war er los.
»Du schläfst?«
Sam nickte.
»Träumst du?«
»Bestimmt, aber ich kann mich nie mehr an einen Traum erinnern.«
»Und hinterher, wie ist dir da?«
»Bißchen blöd«, sagte Sam. »Aber das ist ja kein Wunder nach acht Stunden Affensaal.«
»Du hast keine Ahnung, was in Block G mit dir passiert?«
»Nee, was denn?«
»Daß sie dort deinen Kopf anzapfen?«
»Meine Birne?« Sam faßte sich an die Schläfen und fing an zu lachen. »Meinen Blödkopp? Wozu denn?«
»Weißt du, was Transmitter sind?«
»Keine Ahnung.«
»Botenstoffe. Sie erst…« Der Boß brach ab. »Wie soll ich dir das erklären? Am besten gar nicht. Man braucht die Transmitter zum Denken.«
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»So was wie in den grünen Pillen?«
Der Boß lachte. »Ja«, sagte er, »das wäre was, wenn man sie künstlich herstellen könnte, das wäre wohl das beste Geschäft der UNION, aber bislang kann man Transmitter nur aus einem Gehirn abzap-fen. Manche Menschen produzieren nämlich reichlich davon, andere zu wenig, und die sind gerne bereit, einen anständigen Preis für Transmitter zu bezahlen.«
»Wieviel?« fragte Sam.
»Keine Ahnung, das ist nicht mein Ressort, aber ein paar hundert wird eine Portion schon kosten.«
»Ein paar hundert Nickel?«
»Dollar, du Blödkopp.«
»Und ich bekomme vier Nickel«, stöhnte Sam.
»Bestimmt bist du Spender für Alpha-vier-
Transmitter«, meinte der Boß. »Das würde erklären, warum du dich nicht mehr erinnern kannst. Hast du sonst noch Beschwerden? Wird dir schwindlig, mußt du oft kotzen, rauscht es dir in den Ohren?«
»Nein.« Sam schüttelte den Kopf.
»Kommt noch«, sagte der Boß leise, aber Sam hatte es doch gehört.
»Ist nicht gut für mich, was? Soll ich's lieber lassen?«
»Du hast unterschrieben, verdammt noch mal!«
»Wird das vielleicht noch schlimmer? Bitte, sagen Sie es mir.
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Wie geht das weiter? Kann ich mich demnächst auch an vorgestern nicht mehr erinnern oder überhaupt nicht mehr?«
»Weiß ich nicht«, sagte der Boß, »interessiert mich auch nicht.«
»Dann gehe ich lieber nicht mehr in Block G, nur noch in den Affensaal«, sagte Sam. »Darf ich jetzt gehen? Sagen Sie bitte Bescheid, daß Sie mich aufgehalten haben? Sonst bekomme ich Ärger.«
»Du darfst gehen, aber überlege dir gut, was dir wichtiger ist, dein Job oder gestern.«
»Sie meinen, wenn ich nicht mehr in Block G ge-he…?«
»Ja. Du hast dich für beides verpflichtet, vergiß das nicht.«
»Können Sie nicht ein Wort für mich einlegen?«
»Daß du nur noch in den Affensaal mußt? Nein.«
Sam überlegte. Was sollte er nur tun? Wovon sollte er leben, wenn er seinen Job verlor? Wieder als kleiner Straßenräuber?
Eines Tages würden sie ihn schnappen, und jetzt war er kein Kind mehr, im Gegenteil, einen so jungen, kräftigen Burschen würden sie nicht ins Ge-fängnis stecken, sondern zur Strafarbeit verurteilen, unter Tage oder in einer chemischen Fabrik oder
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