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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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und Literaturzirkeln zu bewältigen er hatte die Lo-sung von der effektiven Nutzung aller Ressourcen schon befolgt, bevor andere sie überhaupt gedacht hatten –, in den anschließenden Gesprächen im kleinen Kreis konnte man ganz unverfänglich und geradezu beiläufig auf die Sorgen zu sprechen kommen, die auch einem Dichter das Leben und, was weit schlimmer war, die Arbeit schwer machten, und nicht selten fand sich dann ein Literaturfreund, der ihn von eben diesen Sorgen befreien konnte.
    Kunst geht nicht mehr nach Brot, dachte Nom, sie geht nach Autoersatzteilen, Fliesen, verchromten Wasserhähnen, Rauhfasertapete, Auslegeware und 198
    all den Materialien, die er für den Auf- und Ausbau seines neuen Wochenend- und Sommerdomizils am Wermsdorfer See benötigte. Was wäre er denn ohne diese Reisen? Ein Nichts. Ein Habenichts und Be-kommenichts wie sein Kollege Peterpaul Plenz, der immer noch in dem naiven Wahn lebte, ein Dichter könne auf die Dauer von Lyrik, Luft und Liebe glücklich werden.
    Nom öffnete das Handschuhfach und nahm sich
    einen Riegel Zartbitterschokolade. Nein, über man-gelnden Wohlstand brauchte er nicht zu klagen, aber daß er noch immer ohne Orden und Auszeichnung war, gnadenlos nackt, wie er es für sich nannte, schmerzte Nom zutiefst. Seine Frau mußte die Presse für ihn zensieren, jede Zeitung aus dem Verkehr ziehen, in der von Auszeichnungen die Rede war, damit sie Nom nicht in verzweifelte Aufregung stürzen konnte, die ihn für Tage unfähig machte, auch nur eine Zeile zu schreiben.
    An seinem Werk konnte es nicht liegen, davon war Nom überzeugt, und nicht nur er selbst hatte sich überzeugt, auch die überaus freundlichen und ermu-tigenden zuweilen nicht sogar überschwenglichen?
    Rezensionen sprachen dafür und, nicht zuletzt, die vielen begeisterten Zuhörer, die er auf seinen Le-sereisen traf und die, ganz im Gegensatz zu seiner Frau und seinen Kindern, sein Werk zu würdigen wußten. Ein Werk, das ganz »dem Ruf der Zeit«
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    folgte, das sich nicht unter dem Vorwand eines angeblich notwendigen Abstandes den Forderungen des Tages entzog, sondern, im Gegenteil, sich ganz in den Dienst des Tages stellte. Was wirklich schwer war, denn die Forderungen des Tages wechselten oft rasch und verlangten nicht nur schnelles, effektives Formulieren, sondern häufig Umarbeitungen mitten im Stoff. Nom hatte sich nie darüber beklagt, er fühl-te sich nur wohl, wenn er »im Strom der Zeit schwamm«, wie er überall offen bekannte. Wenn ihm noch immer die gebührende Anerkennung versagt blieb, dann nicht, weil er hinter seiner Zeit zu-rückblieb wie so viele Kollegen oder gar gegen den Strom schwamm, wie sein Intimfeind Lobental, der sich doch tatsächlich erfrecht hatte, auf der Ver-bandstagung zu verkünden, man müsse gegen den Strom schwimmen, um an die Quellen zu gelangen –, sondern weil er im Überschwang seiner Zeit entschieden zu weit vorauseilte.
    Nom fiel auf Anhieb ein Dutzend weltberühmt
    gewordener Kollegen ein, die von ihren Zeitgenossen verkannt, ja verspottet worden waren, weil sie ihrer Zeit voraus gewesen waren, und er rechnete es nur seiner Bescheidenheit zugute, wenn er seinen Namen nicht zusammen mit den ihren aussprach.
    Und unter seinem Namen hatte er zu leiden, das vor allem.
    Denn in einer offiziellen Verlautbarung müßte 200
    nicht nur sein Pseudonym als Dichter genannt werden, sondern auch sein bürgerlicher Name: Herbert Gnom. Und wer hatte schon den Mut, einen Gnom auf eine Auszeichnungsliste zu setzen!
    Nom zuckte zusammen. Nicht weit vor ihm schlug ein Blitz in einen Baum. Beinahe hätte er den Wagen in den Graben gesetzt. Er zwang sich zur Ruhe.
    Drosselte die Geschwindigkeit.
    Fluchte, daß er nicht die Autobahn genommen hatte, sondern versuchte, mit der Abkürzung durch diesen nicht enden wollenden Wald Kilometer zu sparen.
    Plötzlich erblickte er in der Ferne ein bläuliches Licht. Ein Irrlicht? In dieser Nacht und in dieser Gegend hätte es ihn nicht verwundert.
    Doch das Licht blieb, wuchs, eine solide Neonschrift, hellblau auf dunklem Rot:
    MEZOAfU-M und darunter, dahinter ein gar ge-
    waltig wirkendes Gebäude, allem Anschein nach ein Hotel. Nom wunderte sich, daß er es bei seinen Rei-sevorbereitungen übersehen hatte. Vielleicht war es nirgends verzeichnet, ein Haus für auserwählte Gä-
    ste?
    Er hatte schon oft munkeln gehört, daß es so etwas geben sollte. Nom parkte den Wagen, betrachtete nachdenklich die lange Hausfront, an der nur

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