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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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man schon aus dem Orbit sehen. Weder Straßen noch Schienen, kein Luftverkehr, Schiffe, die mit Windkraft fuhren, Wagen, die von Tieren gezogen wurden wir landeten in einem Waldgebiet weitab von jeder Ortschaft, wir sollten ja in aller Stille den Planeten erforschen, Kontakt möglichst vermeiden.«
    Er goß ein, kippte den Schnaps hinunter, wischte sich die Lippen, sein Bart war echt.
    »Beim ersten Kontakt mußten wir feststellen, daß bei der Mate-ri-li-sation«, er nickte zufrieden, »eine Panne passiert war.
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    Gewiß, wir hatten richtige Gesichter, zwei Beine, zwei Arme, Hände… das stimmte alles, aber wir waren viel zu klein. Und die Schädel! Kein Mensch hatte solche Spitzschädel. Hier.«
    Er zog die Mütze vom Kopf. Weiß der Himmel, er hatte einen gewaltigen, spitz zulaufenden Schädel.
    »Was hättest denn du in sòner Situation getan?«
    »Mich umgebaut«, sagte ich. Der Alte machte mir Spaß. Nicht, daß ich auch nur ein Wort geglaubt hät-te, aber es war amüsant, ihm zuzuhören. Entschieden besser, als allein vor der Glotze zu hocken. »Wenn ihr euch materialisieren könnt«, jetzt hatte auch ich Schwierigkeiten, es auszusprechen, »dann könnt ihr euch bestimmt umbauen, wie ihr wollt.«
    »Eben nicht. Das geht nur an Bord des Raum-
    schiffs, und das war längst weg.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Wir mußten so bleiben, wie wir waren. Also haben wir die Köpfe unter Kapuzen versteckt, wenn wir die Station verließen. Zum Glück trafen wir nur selten auf Menschen, und wenn, dann waren sie eher zutraulich als ängstlich, vor allem die Kinder, sie nannten uns Zwerge, und bald wußten wir, warum, sie hielten uns für Gestalten aus ihrer Fabelwelt. Wir haben diese Rolle angenommen, Hauptsache, man ließ uns in Ruhe.«
    »Du sagst immer ›wir‹ und ›uns‹ wie viele seid ihr denn?«
    »Wir waren sieben.«
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    »Die sieben Zwerge«, sagte ich, »fehlt nur noch Schneewittchen ›so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz‹.« Das Märchen kannte ich auswendig, so oft hatte es mir Großmutter vorgelesen.
    »Ja, schön war sie«, sagte der Alte. »Wunderschön. Ich sehe sie noch vor mir.«
    »Du mußt verdammt alt sein«, meinte ich, »wenn du sie mit eigenen Augen gesehen hast.«
    »Für menschliche Begriffe schon, für uns je-
    doch…« Er griff nach der Flasche. Woher auch immer er sein mochte, saufen konnte er. Bei dem Tempo wäre ich längst vom Hocker gefallen.
    »Ihr habt also im tiefen Wald gelebt«, sagte ich ,
    »und eines Tages, als ihr gerade unterwegs wart, kam Schneewittchen in euer Häuschen: ›Da stand ein weißgedecktes Tischlein mit sieben kleinen Tellern, jedes Tellerlein mit einem Löffelein, ferner sieben Messerlein und Gäblein und sieben Becherlein.
    An der Wand waren sieben Bettlein nebeneinander aufgestellt und schneeweiße Laken darübergedeckt‹
    eine Bodenstation der Außerirdischen habe ich mir eigentlich anders vorgestellt.«
    Wenn er mir schon solch einen Bären aufbinden wollte, dann sollte er sich auch was einfallen lassen.
    »Das Häuschen«, sagte er, »war nur Attrappe.
    Falls uns mal jemand nachspionierte. Hinten stieß es an eine Felswand, eine Höhle, in der war die eigent-321
    liche Station. Aber es stimmt, wir haben da vorne gegessen. Da wir menschliche Gestalt angenommen hatten, mußten wir nun auch irdische Nahrung zu uns nehmen. Auch die ›Bettlein‹ gab es, doch geschlafen haben wir da nicht, wir hatten natürlich vollautomati-sche VI-Kammern in der Station.«
    »Aber Schneewittchen lag in einem der Betten?«
    »Wie denn? Sie hätte kaum hineingepaßt. Nein, sie hockte zusammengekrümmt auf dem Boden, die Arme fest um die Knie geschlungen, und heulte, ein Bild des Jammers.«
    »Kunststück«, sagte ich, »nach allem, was sie hinter sich hatte: eine Prinzessin, aus dem Schloß verstoßen, in den Wald geschleppt…«
    Der Alte winkte ab. »Ja, die Geschichte von der bösen Stiefmutter, die auf ihre Schönheit eifersüchtig war und sie deshalb umbringen lassen wollte, hat sie uns aufgetischt, aber wir haben kein Wort geglaubt.
    Soviel wußten wir längst: so sah kein Mädchen der Oberklasse aus nicht nur wegen der Kleidung, ihre Hände haben sie verraten. Sie konnte höchstens Magd im Schloß gewesen sein.«
    »Jetzt verstehe ich das«, sagte ich. »Ich habe mich immer gewundert, wie die sieben Zwerge einer Prinzessin so ein Angebot machen konnten: ›Willst du unsren Haushalt versehen, kochen, betten, waschen, nähen und

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