Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
meist, sie ... sie lassen ihre Familien im Stich und folgen ihm. An einem See namens Genezareth hat er ein halbes Dutzend Männer rekrutiert.«
Wieder musste ich schmunzeln, war Cornelius doch noch ganz der Militärsprache verhaftet. »Und was machen diese Leute?«
»Sie dienen ihm, helfen mit Geld aus, machen Quartier für ihn, und vor allem hören sie ihm in unendlicher Geduld zu.«
»Und was sagt er ihnen?«
Cornelius schwieg, und sein Blick verlor sich in weiter Ferne. »Um die Wahrheit zu sagen, ich verstehe nicht alles, was er zu seinen Anhängern sagt. Manches ist ...« Er stockte und spielte mit den Trauben in seiner Hand. »Einmal zum Beispiel sagte er: ›Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen? Es gleicht einem Senfkorn. Sät man es in die Erde, so ist es das kleinste unter allen Samenkörnern. Ist es aber gesät, so schießt es empor und wird größer als alle Gewächse. Es treibt so große Zweige, dass die Vögel des Himmels in seinem Schatten wohnen können.‹«
»Was ist das – das Reich Gottes?«, wollte ich wissen. Cornelius schüttelte traurig den Kopf. »Ich weiß es nicht – noch nicht. Er spricht in Bildern und Rätseln, sodass man nicht alles gleich fassen kann.«
»Ein Philosoph?«
»Nein, so würde ich ihn nicht nennen. Er ist ein einfacher Mensch, und doch scheint er mir so groß wie kein anderer zu sein.« Er schluckteund sein Gesicht nahm eine unnatürliche Farbe an. »Aber ... aber das ... äh ... das Größte hast du noch nicht gehört.«
Ich lehnte mich neugierig nach vorne, spätestens jetzt war mein Interesse geweckt.
»Er kann Tote auferwecken!«
»Waaaas?« Ich schrie den armen Kerl an, fühlte ich mich jetzt doch kräftig auf den Arm genommen. Cornelius zuckte zurück, um dann mit Bestimmtheit zu sagen: »Es war am Ufer jenes Sees, an dem er sich gerne aufhält. Der Vorsteher der örtlichen Synagoge, ein Mann namens Jairus, war zu ihm gekommen und bat ihn, seine Tochter zu heilen. Viele Menschen folgten ihm, ich auch. Und während wir noch auf dem Weg waren, kamen uns schon Frauen entgegen und sagten, es sei zu spät, das Kind sei eben gestorben. Dieser Jesus aber sagte: ›Fürchte dich nicht, glaube nur!‹ Er betrat das Haus mit einigen seiner Freunde und ... und wenig später ...« Tränen brachen aus den Augen des harten Centurios hervor, und er flüsterte mit heiserer Stimme: »Wenig später trat das Kind aus dem Haus. Sie kann kaum älter als zwölf Jahre gewesen sein, und ... sie lebte!«
Minutenlang schwiegen wir und lauschten den Befehlstönen der Offiziere auf dem Hof. Immer hatte ich an Cornelius besonders seine Zuverlässigkeit und Wahrheitsliebe geschätzt, und nun erzählte er mir solche Geschichten.
Cornelius hatte sich wieder gefasst. »Präfekt, bei meiner Freundschaft und Treue: Alles ist so, wie ich es dir berichte. Das nehme ich auf meinen Fahneneid. Und das ist noch lange nicht alles. Wie du weißt, habe ich mit meinen Männern in Kapharnaum in einer Herberge ein Zimmer genommen, um immer in der Nähe dieses Mannes zu sein.«
Ich unterbrach ihn: »Kapharnaum, wieder dieser Name. Wo liegt diese Stadt?«
»In Galiläa, am nordwestlichen Ufer des Sees Genezareth, drei Tagesreisen weit.«
Ich nickte. »Fahre fort.«
»Nun, eines Tages geschah es, dass mein treuer Sklave Demetrios erkrankte, und zwar auf Leben und Tod.«
Ich kannte den Mann, hatte ihn eigens nebst zwei Legionären zu seinen Diensten aus dem Hausbestand abgestellt.
»Da ich mir nun nicht anders zu helfen wusste, bat ich den jüdischen Ortsvorsteher, er möge zu Jesus gehen und ihn bitten, meinen Knecht zu heilen. Du musst wissen, ich habe einiges von meinen kleinen Ersparnissen geopfert, um die abgebrannte Synagoge wieder aufzubauen, und so sind sie mir gerne gefällig.«
So viel Opferbereitschaft eines Römers gegenüber den Juden missfiel mir, und ich deutete das durch eine hochgezogene Augenbraue an. Cornelius schien das nicht zu bemerken.
»Und tatsächlich erschien er wenig später vor meiner Herberge. Da ich nun weiß, dass Juden nicht gern das Haus eines Ungläubigen betreten, ging ich ihm entgegen und sagte: ›Herr, ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach trittst. Aber wenn du nur ein Wort sprichst, so wird mein Knecht gesund sein.‹ Da wandte sich Jesus zu den Umstehenden und sagte: ›Wahrlich, ich sage euch, so großen Glauben habe ich unter den Juden nicht gefunden.‹ Dann ging er weg. Ich aber eilte ins Haus zurück und fand meinen Knecht kerngesund
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