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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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sammeln, als müsse sie sich jene Worte ins Gedächtnis zurückrufen. Dann zitierte sie mit großem Ernst:
    »Selig die Armen! Ihrer ist das Reich Gottes.
    Selig die Trauernden! Sie werden getröstet werden.
    Selig die Sanftmütigen! Sie werden das Land besitzen.
    Selig, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit! Sie werden gesättigt werden.«
    »Wie meint er ...?«
    »Nicht unterbrechen, nicht jetzt!« (Wie sprach sie eigentlich mit mir?)
    »Selig die Barmherzigen! Sie werden Barmherzigkeit erlangen.
    Selig, die reinen Herzens sind! Sie werden Gott anschauen.
    Selig die Friedensstifter! Sie werden Kinder Gottes genannt werden.
    Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen! Ihrer ist das Himmelreich.«
    Erschöpft lehnte sich Claudia zurück und griff nach ihrem Wasserglas. Ihr Blick hatte etwas Entrücktes, was ich kaum deuten konnte.
    »Und du ... du hast alle diese Worte im Gedächtnis?«, murmelte ich bestürzt und fasziniert zugleich.
    »Als hätte er sie eben gesprochen«, antwortete Claudia leise, »es sind ... göttliche Worte, sie sind nicht ...«
    »Du übertreibst etwas, Liebste«, unterbrach ich sie reichlich grob. »Das meiste, was er sagte, will mir fremd klingen. Was sind denn Kinder Gottes? Und wieso werden die Sanftmütigen das Land besitzen? Nach allem, was ich von der Geschichte weiß, besitzen die Sanftmütigen nichts, weil man ihnen nämlich alles nimmt.«
    Ich lachte übertrieben laut auf und versuchte, etwas von der Souveränität zurückzugewinnen, die mir offenbar im Verhältnis zu meinem Weib abhanden gekommen war.
    »Ich meine, liebste Claudia, wer das Land besitzt, das sind wir. Wir Römer besitzen fast die ganze Welt, und was uns noch nicht gehört, werden wir auch bald besitzen. Und wir und unsere Legionäre gelten nicht gerade als ... sanftmütig, oder?«
    Wieder lachte ich vergnügt auf, aber es war ein falsches Lachen, und es stieß auf Unverständnis.
    »Du verstehst nichts, Gaius!«
    Eine steile Falte des Unwillens bildete sich auf Claudias Stirn.
    »Übrigens bin ich noch nicht fertig. Er sagte noch etwas, was in unseren römischen Ohren kaum auf Verständnis trifft.«
    »Interessant. Hetzt er gegen unseren Kaiser?«
    »Nein, aber er sagt: ›Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, die euch verfolgen. Dann werdet ihr Kinder eures himmlischen Vaters sein, der ...‹«
    »Genug!«, schrie ich. »Bei aller Liebe, diesen Unsinn mag ich nicht mehr hören!«
    Ich stand auf und ging erregt durch den Raum. Meine Toga geriet in Unordnung, und ich hatte Mühe, sie wieder zurechtzulegen.
    »Das ist so ... unrömisch, was du da sagst. Hätten wir Römer so gehandelt, so wohnten wir heute noch in einem kleinen Hirtendorf am Tiber, und unser Reich würde sich auf die Größe des Marsfeldes beschränken.«
    Ich holte tief Luft und rief mit einer übertriebenen Gestik, die wohl eher Cicero auf dem Forum angestanden hätte: »Und für die grau-samen Parther sollen wir beten oder für die blutrünstigen, barbarischen Germanen, die meine Kameraden damals unter Varus umgebracht und die Offiziere an die Bäume genagelt haben? Unser himmlischer Vater, das ist Jupiter, und genau der hat uns aufgetragen, die Welt zu regieren. Hast du vergessen, was unser trefflicher Vergil sagte: ›Gedenke, Römer, dass es deine Aufgabe ist, die Welt zu regieren.‹ So ähnlich jedenfalls. Du darfst nicht ...«
    Ich drehte mich herum, musste aber zu meiner Bestürzung sehen, dass Claudia den Raum bereits verlassen hatte.

XXXVIII.
     
    Kriminalobermeister Allenstein musste nicht lange warten, bis sich seine Geduld auszahlte. Seine billige Armbanduhr zeigte genau halb elf, als ein schwarzer Mazda in die Straße einbog. Was zunächst auffiel, war die beschädigte Windschutzscheibe. »Der Kerl kann doch fast nichts mehr sehen«, dachte Allenstein und blickte auf das Kennzeichen. Ein Ausländer, aber ohne Nationalitätszeichen, sehr verdächtig. Schnell kritzelte er das Kennzeichen, das mit SCV begann, auf ein Blatt Papier. Der Wagen fuhr ganz langsam, offenbar suchte der Fahrer etwas. Allenstein versuchte, das Gesicht des Fahrers zu erkennen, aber der trug so etwas wie eine Kapuze, die das Gesicht nur schemenhaft freigab. Allenstein war schlagartig wach, aber sein Interesse erlosch ebenso schnell wieder, als der Wagen an der nächsten Ecke rechts abbog. Eine Minute später aber war er wieder da und fand am Ende der Straße eine winzige Parklücke, in die der Fahrer

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