Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Ritter für sie eintritt. Ihres Vaters Bruder sei Abt. Wie gut, dass er den Namen dieses ihm missliebigen Mannes einmal für seine Zwecke gebrauchen konnte.
»Ihr, Alice’«, er betonte ihren hübschen Namen, »Vater war ein reicher Kaufmann aus Passau, in der ganzen Gegend bekannt für seine Großmut und Gottesfurcht. Dieser ehrwürdige Mann hat sich auf den Kreuzzug zusammen mit seiner Tochter begeben, ist aber bereits in Pera gestorben. Alice hat auch keine Mutter mehr, die Beklagenswerte hat schon im Kindbett das Zeitliche gesegnet«, log er.
»Nun pilgert die junge Frau«, Jungfrau zu sagen, brachte er dann doch nicht über die Lippen, »allein und ohne weibliche Begleitung nach Jerusalem. Ich komme auch aus Passau und wäre dankbar, wenn ich meine Landsmännin zu ihrem Schutz Eurem Wohlwollen und Eurer Obhut anvertrauen dürfte. Alice ist fromm und besitzt Fähigkeiten, die Ihr schätzen würdet. Sie ist gebildet, spricht fließend Latein, hat eine angenehme Stimme, kann schön und ausdrucksvoll singen. Dazu besitzt sie auch praktische Fähigkeiten wie Nähen«, was Alice, wie er wusste, nicht ausstehen konnte. »Aber diese Fertigkeiten verstehen sich für eine Frau von selbst.«
Godvere zeigte sich keineswegs abgeneigt, im Gegenteil. Sie könne eine domicella, eine Zofe, durchaus gebrauchen. Sei doch Blanca, ihre vertraute Dienerin, unlängst auf dem Weg von Nikäa nach Doryläon bei der Geburt eines Sohnes gestorben.
»Die Ärmste«, seufzte Godvere.
Alle Anwesenden gaben ihr recht und dachten still für sich das Gleiche:
Godvere ist erleichtert, dass Mutter und Kind die Geburt nicht überlebt haben.
Den Damen klang noch das Kreischen der Dienerin in den Ohren, als die Wehen einsetzten. Auch Bernhard, der dicht neben Balduin geritten war, konnte sich mehr als gut an den Augenblick erinnern, als die Schwangere nicht weiterreiten konnte. Balduin, ganz besorgt in ihrer Nähe, half ihr von ihrem Pferd und ordnete an, dass der Gebärenden ein bequemes Lager aus Kissen, Steppdecken und weißem Bettzeug zu bereiten sei.
Später am Abend wussten es alle: Obwohl Blanca mit erfahrenen Frauen zurückgelassen wurde, habe man ihr nicht helfen können: Kaiserschnitt.
In aller Eile sei nach einem Priester geschickt worden, der die Letzte Ölung vorgenommen hätte. Blanca habe sich gottergeben dem Höchsten anvertraut. Ihr Kind aber sei trotzdem tot zur Welt gekommen.
Das war für Godvere, die, nur um schwanger zu werden, von Balduin auf den Kreuzzug mitgeschleppt worden war, ein gnädiges Ende. Denn lebhaft konnte Bernhard sich die Misshelligkeiten zwischen den Ehegatten vorstellen, sah im Geiste Balduin, dessen Beziehung zu Blanca er nicht allzu sehr zu kaschieren suchte. Godvere war die überaus große Besorgnis Balduins um eine geglückte Geburt sicher nicht entgangenn, auch wenn sie ihm erbmäßig nichts einbrachte. Trotzdem, für Godvere war es bitter, ihre Ehe mit Balduin war kinderlos und blieb es anscheinend auch.
Godvere war denn durchaus einverstanden, eigentlich ganz erleichtert, eine junge Frau wie Alice als Hofdame, nun, einen Hof im eigentlichen Sinne gab es ja auf der Pilgerfahrt gar nicht, in ihren Dienst zu nehmen. Der Umstand, dass Bernhard für sie bat, und schließlich war Godvere durchaus bestens über das Verhältnis Bernhards zu Alice unterrichtet, zeigte seinen Anspruch auf diese Frau – und er wirkte nicht so, als dass er sich diesen, nicht einmal von Balduin, nehmen ließe.
Aufrecht und vornehm, in einem Kleid aus changierender blauer Seide, ritt Alice bereits am nächsten Morgen im Gefolge Godvere di Tosnis neben der hohen Frau in südöstlicher Richtung auf die gebirgige Hochebene Phrygiens zu.
Bernhard hatte den Stoff nach dem Sieg im Lager Kilidj Arslans gefunden. Diese glänzende Seide erinnerte ihn an das Blau Marias, der Mutter Gottes, wie er es von Marienbildern kannte. Es würde wunderbar zu Alice’ blondem, lockigem Haar passen. Ohne zu zaudern, hatte er den erhöhten Preis bezahlt, den die Näherinnen für die Auflage forderten, das Kleid müsse noch vor ihrem Aufbruch fertig werden.
Alice bemühte sich, den Ratschlägen und Anweisungen Bernhards zu folgen; ihre Hauptaufgabe bestünde darin, Godvere die traurigen Gedanken zu verscheuchen, sie aufzuheitern. Sie solle Geschichten erzählen, es könnten auch derbe sein, oder etwas von ihrem Leben in Passau, schließlich sei Alice die Tochter eines reichen Kaufmanns und brauche ihre Herkunft nicht zu verleugnen.
Bedrückt
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