Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
dicht an Bernhard herangetreten und sah seinen Sohn böse an:
»Dein Kind ist noch nicht einmal geboren. Vielleicht wird es auch eine Tochter.«
»Vater!«, flehte Bernhard, seinen Stolz unterdrückend.
»Nun gut. Ich werde über eine Legitimierung nachdenken, wenn es an der Zeit ist. Das ist mein letztes Wort.«
Mitternacht.
Absitzen.
Schweigend absitzen in noch immer dunkler Nacht. Jedenfalls hatte es aufgehört zu regnen.
Kaum hörbar wurden die in Decken eingeschlagenen Banner von den Karren abgeladen.
Bernhard konnte das Kreuz auf weißem Grund nur erahnen, das der Bannerträger Bischof Adhémars in der Hand hielt, als er zu Bernhard trat und ihn leise fragte, ob er schon Genaueres über den Schlachtplan wisse.
Bernhard erwiderte, er könne ihn sich denken, wisse aber nichts.
Die beiden Ritter standen dicht beieinander, sie wandten sich um, als sie bemerkten, dass der Heerführer Bohemund mit unterdrückter, gepresster Stimme dem Ritter Walter von Domedart und seinem Schützling Bohemund, einem vor Kurzem getauften und von ihm persönlich mit dem heiligen Quell gewaschenen Türken, den Auftrag erteilte, das Lager der feindlichen Heere auszukundschaften.
Dass Bohemund dem traute!
Die beiden Männer nickten und verschwanden über die Eiserne Brücke, unter der tosend und brausend, durch die anhaltenden Regenfälle noch verstärkt, der Orontes dem Meer zudonnerte. Trotz des Getöses des Flusses flüsterten die Ritter nur, wenn sie sich überhaupt miteinander unterhielten. Nur leise, liebkosend, besänftigend sprachen sie auf die Pferde ein, auf dass kein Wiehern sie verriete.
Bernhard blinzelte in das rötliche Grau, das sich im Osten am Himmel abzeichnete. Es lastete auf ihm wie auf allen Männern das Unglück und die Wut, dass dieses Land, durch das schon der Apostel Petrus gewandert war und dessen Bewohner seit 1.000 Jahren christlich waren, nun von den Ungläubigen beherrscht wurde.
Er blickte in die Gesichter der um ihn stehenden Männer. Entschlossen sahen sie aus und auch zermürbt vom Warten. Wann kamen endlich die Kundschafter zurück?
Was war, wenn dieser Türke ein Verräter war, der den Grafen Gernod hinterrücks ermordete und das türkische Heer warnte? Es war mehr als zweifelhaft, dass dieser Mann ehrlich war.
Nur nicht ermüden. Er musste sich die Zeit vertreiben mit Gedanken an das Ziel seiner Reise, Jerusalem.
An langen Winterabenden wurde in Dörfern und Burgen oft das Schicksal jenes Jünglings erzählt, der sich selbst geopfert hatte, um die Christen Jerusalems vor dem sicheren Tod zu retten. Es war Bernhard bisweilen, als träte dieser junge Mann, den er sich schön und männlich und dabei zart vorstellte, aus dem Zwischenreich der Toten neben ihn. Als spräche er einen Wunsch aus, den Bernhard nicht hören oder gar verstehen konnte.
Es geschah unter dem Kalifen Hakim, der sogar unter den Ungläubigen als grausam und ungerecht verschrien war. Nicht nur, dass er die Grabeskirche hatte zerstören lassen, nicht nur, dass er den Christen verbot, ihre Feste zu feiern und sie willkürlich gefangen nahm, ihnen die Hand oder den Fuß abschlagen ließ, vielmehr sann er auf ein Mittel, sie alle zu töten.
Eines Tages ließ er heimlich einen toten, verwesenden, bereits stinkenden Hund auf den Platz vor den Felsendom legen. Am Morgen erhob sich Geschrei und alle Ungläubigen waren sich einig, dass nur die Christen eine solche Schandtat verübt haben konnten. Sämtlichen Christen Jerusalems sollte deswegen der Kopf abgeschlagen werden.
Der Jüngling aber trat vor die ungerechten Richter und, obwohl unschuldig, klagte er sich selber an, den Hund vor die Moschee gelegt zu haben, sodass nur er enthauptet wurde.
Hätte er sich auch geopfert?, sann Bernhard diesem Jüngling nach. Wer von den Rittern hier hätte den Tod für alle auf sich aufgenommen? Wohl keiner. Wahrscheinlich nur der Legat des Papstes, von Adhémar konnte er es sich vorstellen.
Dazwischen zuckte ein Bild, die Gewissheit: Er, der Abt, hätte sich geopfert.
Unsinn. Es gab so viele Äbte, auch unter den Pilgern, warum nur war dieser eine für ihn der Abt? Er jedenfalls, Bernhard, hätte sich gewehrt. Wenn auch die Heiden den Christen verboten hatten, ein Schwert zu tragen, überhaupt eines zu besitzen, so hätte er einen von ihnen erdrosselt oder mit dem Messer erstochen und sich ein Schwert besorgt und gekämpft. Niemals aber hätte er sich abschlachten lassen.
Eine Bewegung ging durch die Reihen der Männer. Sie
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