Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
verschleppt, hielt man sie gefangen? Alice ahnte es, Männer vergewaltigten die Freundin. Männer lachten über die dummen Christen, die unfähig waren, ihre Frauen zu beschützen, während Martin besinnungslos durch die Gegend irrte und seine Frau suchte.
Wo war Theresa?
Es gab nur einen Ort, wo Theresa sein konnte, wo Theresa war: Antiochia.
*
›Seinem hochwürdigen Herrn Johannes, durch Gottes Gnade Abt des Klosters Lichtenfels, von Martin, seinem untertänigen Knecht.
Seid gegrüßt.
Wir stehen kurz vor der entscheidenden Schlacht, genauer, morgen, spätestens übermorgen wird der Atabeg Kerbogha von Mossul unser Lager mit 100.000 Mann angreifen. Zusätzlich zu seinen eigenen Truppen haben ihm die Sultane von Bagdad und Persien sowie die Ortoqiden- Fürsten des nördlichen Mesopotamien Mannschaften zur Verfügung gestellt, wie uns unsere Kundschafter meldeten. Wir liegen immer noch vor Antiochia. Die dortige türkische Garnison unter Yaghi-Siyan wird einen Ausfall machen, sodass wir umzingelt sind. Das Heer Gottes ist erschöpft, wir haben kaum Pferde. Rab lebt zwar noch, bis morgen oder übermorgen. Als Anerkennung für die Bewährung im Kampf und als Vorschuss für den Tod hat der Legat des Papstes Bischof Adhémar mich und zwei andere Männer zum Ritter geschlagen.
Jeder von uns weiß, wir werden diese Schlacht nicht überleben. Wahrscheinlich bin ich tot, wenn Euch dieser Brief erreicht.
Ich gebe ihn Stephan de Blois, dem Schwiegersohn William des Eroberers, mit, er wird noch heute mit einer großen Schar von Nordfranzosen das Lager verlassen und sich über Zypern nach Europa einschiffen. Ich habe gehört, wie er zu Bohemund sagte, es sei reine Tollheit, auf den sicheren Massenmord zu warten. Lebend könnte er der Sache Jesu Christi auf Dauer nützlicher sein. Fürst Bohemund hat nur abfällig gelächelt.
Es ist bemerkenswert zu beobachten, wer angesichts unserer hoffnungslosen Lage bleibt, wer die Flucht ergreift. Viele Frauen mit Kindern versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, natürlich auch Unbewaffnete, Fußsoldaten und sogar Ritter. Niemand hält sie mehr zurück wie noch vor ein paar Monaten, als selbst Peter, der Anführer des Armenkreuzzuges, zu fliehen versuchte.
Zu meiner Verwunderung scheint Alice zu bleiben, trotz ihres kleinen Sohnes. Ach, das wisst Ihr noch nicht. Alice hat Ritter Bernhard von Baerheim einen gesunden Sohn geboren, Hanno. Sie steht zum Heer Gottes, obwohl Bernhard sie in dieser Schlacht nicht beschützen können wird, niemand kann irgendwen beschützen, wenn uns der für seine Grausamkeit und Tapferkeit berühmte Kerbogha mit seinen Reitern, alle ausgeruht und kampferfahren, angreift. Bestenfalls wird sie als Sklavin verkauft. Sie hofft aber, wie wir alle, auf ein Wunder. Nebenbei gesagt, Bernhard bleibt auch. Er ist, wie ich ihn kenne, fest entschlossen, bis zum Äußersten zu kämpfen.
Ihr fragt auch nach mir. Ich werde sterben, aber bevor ich sterbe, werde ich töten.
Ich werde Theresa, meine Frau, rächen. Ihr wisst es möglicherweise nicht, mein Brief, den ich Euch nach meiner Hochzeit im Februar schrieb, hat Euch vielleicht nicht erreicht. Ich habe geheiratet. Ihr hättet Theresa wie eine Tochter geliebt. Sie war die Reinste, sicher die Wissbegierigste, die Klügste. Vor allem, sie war begabt zum Leben und zum Überleben. Warum ausgerechnet sie? Ich gestehe, ich klage, ich klage Gott an, ich schreie zu Gott, dass ausgerechnet sie auf diese schändliche, schmerzensreiche Weise sterben musste. Sie ist von den Türken in einem Garten vor Antiochia gefangen genommen und in die Stadt verschleppt worden. Dort hat man sie vergewaltigt, eine ganze Nacht. Ich weiß es von rechtgläubigen Christen, die Verbindungsleute in Antiochia haben. Vor Verzweiflung bin ich schier wahnsinnig geworden. Ich habe versucht, durch das schmale Eiserne Tor in die Stadt hineinzugelangen. Vergeblich, die Befestigungsmauer rings um Antiochia war die ganze Nacht besetzt, besonders aber beim Silpiosberg, der Stelle, wo die Mörder aus der Stadt gekommen waren. Am Morgen ist Theresa beim Herzogtor auf der Stadtmauer von Antiochia vor unser aller Augen, vor meinen Augen, geköpft worden. Ihr Kopf ist zu uns hinüberkatapultiert, ihr geschändeter Leichnam über die Mauer geworfen worden. Wir haben Theresas Körper in der Dunkelheit der Nacht zu uns ins Lager geholt. Der Bischof Adhémar hat für meine Frau die Totenmesse gehalten.
Nichts sage ich mehr.
Der Tod ist mir willkommen. Her mit
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