Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
1099.
Das Lager vor Akkâr wurde endlich abgebrochen.
16. Mai
Der Emir von Tripolis wollte unsere Heere vermutlich so schnell wie möglich loswerden. Die Belagerung von Akkâr und der Angriff Herzog Gottfrieds auf die Vorstädte von Tripolis Anfang März hat ihm offenbar so sehr gereicht, dass er nur noch sein Land vor Schaden bewahren will.
Jedenfalls hat der Emir uns Futter und Lasttiere zur Verfügung gestellt, ja, sogar Kamele, ganz sonderbar große Tiere, die in der Wüste kaum Wasser brauchen, sowie Verpflegung für das gesamte Heer und einen ortskundige Führer, einen alten Mann, der uns zur fatimidischen Grenze am Hundefluss und weiter begleiten soll. Die Strecke ist für Ortsunkundige kaum passierbar.
Unser Weg führte vom Meeresstrand hinweg durch tiefe Felsschluchten und über so enge Pfade, dass nur mit Not ein Mann hinter dem anderen und ein Tier hinter dem anderen gehen konnte. Von einem Turm aus, der den Pass beherrschte, hätten die Sarazenen uns leicht niedermetzeln können. Aber nichts geschah, alles blieb friedlich.
Als besondere Großzügigkeit kann die Freilassung von 300 christlichen Gefangenen gelten, die der Emir mit 15.000 Byzantii und 15 prächtigen Pferden entschädigt hat.
Sie haben sich jetzt unserem Heer angeschlossen.
19. Mai
Wir haben den Hundefluss erreicht und die Grenze überschritten, ohne dass die fatimidische Garnison uns Widerstand entgegengesetzt hätte. Der Weg führt jetzt wieder am Meer entlang, aber die Felsen und Klippen sind so steil und schmal, dass man keinen Fußbreit vom Pfad abkommen kann, ohne in die Tiefe ins Meer zu stürzen.
Gegen Abend erreichten wir Beirut, nach wie vor von dem sarazenischen alten Mann geführt. Obwohl wir sehr erschöpft sind, scheint unser Anblick furchterregend und erschreckend zu sein. Denn sogar die meisten Frauen haben sich mit irgendeiner Art von Waffe versehen, zumindest mit Messern, mit denen sie sich verteidigen können. Jedenfalls hatten die Einwohner von Beirut keine Lust auf ein Geplänkel und eilten uns mit Geschenken entgegen. Sie versprachen uns freien Durchzug, sofern wir nur ihre blühenden Gärten und Obsthaine verschonten.
Die Heerführer nahmen die Bedingungen an.
20. Mai
Schlangen. Überall Schlangen. Lange graue oder ockerfarbige kräftige Tiere, gänzlich dieser felsigen Landschaft angepasst und jetzt in der Nacht schon gar nicht zu sehen. Wir sind heute aus dem Gebirge herausgekommen und lagern in der Ebene von Sidon. Aber auf dem Boden, im Strauchwerk, zwischen den Gesteinsblöcken wimmelt es von Schlangen. Etliche unserer Leute sind schon gebissen worden, einige sind gestorben. Um den Schlangenbiss herum schwillt das Gewebe an, es treten starke Schmerzen und furchtbarer Durst auf. Unser alter Mann hat uns geraten, mit Steinen gegen unsere Schilde zu klopfen, um die Schlangen zu vertreiben, sodass die Menschen schlafen können. Wegen der Schlangen wäre es sinnvoll, sofort aufzubrechen, aber die meisten, insbesondere die Armen, können nicht sofort weiterziehen, denn sie sind von dem Marsch durch das Gebirge über alle Maßen erschöpft.
Durch die Nacht dringt nun beständiger Lärm. Ich werde bis zu meiner Nachtwache versuchen zu schlafen.
Was nicht gelang.
»Ich habe es getan. Ich habe es getan.«
»Was hast du getan?«, fragte Martin seinen Freund Markus, während er sich aufsetzte.
Der Mönch hockte sich ganz dicht neben Martin und flüsterte:
»Mit einer Frau geschlafen.«
»Was? Du?«
»Ja! Welche Sünde!«
»In Jerusalem, so hat der Papst versprochen, werden dir deine Sünden vergeben.«
»Versündige dich selber nicht, Martin.«
»Mir ist nicht nach Scherzen zumute. Ich fürchte mich nur selber davor, dass ich in Jerusalem keine Vergebung finde. Aber lassen wir das jetzt.«
»Was sollte ich tun. Sie wäre gestorben, wenn ich nicht … Die Frau hatte sich zur Nacht gelagert und hat auch an nichts Böses gedacht, da wurde sie von einer Schlange gebissen. Sie schlief ganz in meiner Nähe. Sie schrie laut auf und ich eilte ihr zu Hilfe. Vom Kloster wusste ich, dass man sofort die Wunde fest umwickeln und das Gift auspressen muss.
Ich habe ihr also die Wunde ausgedrückt. Aber sie meinte, es sei nicht genug.
Einige von unseren Leuten seien schon am Schlangenbiss in dieser Nacht gestorben, sogar ein Graf. Sie wisse von einem Heilmittel, das von jeder giftigen Geschwulst befreit. Deshalb müsse ich bei ihr liegen, sofort und auf der Stelle und ganz heftig, dass sie ordentlich schwitze.
Weitere Kostenlose Bücher