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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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ganz Jerusalem einzuschließen und jetzt wären sie vom Kampf erschöpft in ihrem Lager. Unbemerkt im Dunkel der Nacht könnten sie alle fliehen. Warum gab er nicht den Befehl? Warum diese Stille, diese furchtbare Stille, wo jeder sich nur in sein Haus verkrochen hatte.
    Wenn sie selbst zu fliehen versuchte? Allein mit ihrer Tochter? Allein? Noch niemals in ihrem ganzen Leben war Hatixhe ohne Begleitung auf der Straße gewesen. So sehr sie sich danach sehnte, so sehr sie die jüdischen und christlichen Frauen beneidete, die sie an ihrem Fenster vorübergehen und bisweilen auch auf dem Markt einkaufen hatte sehen können, so sehr fürchtete Hatixhe sich davor, nur einen Schritt ohne männlichen Schutz vor die Tür zu setzen. Doch auch selbst wenn sie sich überwand, die ägyptische Wache am Tor würde sie niemals aus der Stadt lassen. Sie war eine Gefangene in Jerusalem.
    Blieb nur der Tod. Hatixhe war dem Weinen nahe. Nicht nur nahe. Sie schluchzte, sie weinte bitterlich. Und ihr Kind? Würde man es auch ermorden? Wäre es auch tot morgen Abend?
    Hatixhe fasste sich, richtete sich auf. Ihr Kind wollte sie retten, musste sie retten. Wie? Sie wusste es nicht. Dennoch …
    Energisch nahm Hatixhe die Handarbeit wieder auf und stickte den Namen ihrer Tochter neben den Blutstropfen: Leyla.

Die Eroberung Jerusalems, Freitag, 15. Juli 1099
    Alice erwachte von ihren Schmerzen. Im Halbdunkel hielt sie die Hände vors Gesicht und betrachtete ihre mit Brandblasen übersäten Finger. Haare und die Haut an ihren Handgelenken stanken nach dem Öl des Brandpfeils. Sie hörte leise Stimmen und setzte sich auf. Bernhard stand mitten im Zelt und gab seinem Burschen Kaspar Anweisungen, wie er das Wams schnüren sollte. Erschrocken starrte Alice auf das blutige Kleidungsstück. Darum hatte Bernhard ihr strikt untersagt, das mit dem Blut Hannos gefärbte Kleidungsstück mit Sand zu reinigen. Er beabsichtigte, es am Tage der Eroberung Jerusalems zu tragen – oder am Tage seines Todes. Was wahrscheinlicher war. Denn ungeschützt würde er zusammen mit Herzog Gottfried auf der obersten Plattform des dreistöckigen Belagerungsturmes stehen, unentwegt dem feindlichen Beschuss ausgesetzt. Das war klar, dass der Belagerungsturm die Hauptzielscheibe abgeben würde – noch dazu, weil eine goldene Christusfigur darauf errichtet war. Wie gebannt beobachtete sie, wie Bernhard sein Kettenhemd überzog, das Schwert umgürtete, Bogen und Helm nahm. Jetzt erst blickte er Alice an, kam aber nicht zu ihr herüber. Auch sie vermochte nicht, zu ihm hinzugehen, sondern blieb vor ihrem Bett stehen.
    »Bete für mich, wenn ich heute Abend bei Hanno bin.«
    Alice nickte stumm.
    »Versprichst du mir das?«
    »Ich werde für Euch beten«, antwortete sie mit heiserer Stimme, ›und werde dich mein Leben lang lieben‹, dachte sie für sich.
    Im Hinausgehen wandte sich Bernhard noch einmal zu Alice um und sagte in befehlendem Ton: »Keine Seelenmesse vom Abt!«
    Alice bekreuzigte sich vor Schreck. Wer war denn nun Bernhards Feind? Wen bekämpfte er, indem er den Abt so sehr verabscheute, so sehr hasste, dass ihm seine letzten Worte galten? Sie hatte wenig Zeit, darüber nachzudenken, denn Olivier zuckte mit seinen großen Füßen und bat sie, ihn doch hinauszuführen, er wolle auch an der Messe draußen teilnehmen, er wolle auch für einen siegreichen Tag beten.
    »Nicht die Hand anfassen«, bat sie, »hakt Euch lieber bei mir ein.«
    Die Ritter, die Fußsoldaten, das Heer Christi lag auf den Knien, die Häupter gesenkt, und erwartete die Absolution. Der Segen wurde erteilt, das Kreuz geschlagen, Gott und Jesus Christus und die Heiligen um ihren Beistand angefleht. Ein Raunen ging durch das Heer, der tote Bischof Adhémar sei einigen Priestern und Rittern in der Nacht erschienen und habe ihnen den Sieg verheißen. Die Männer erhoben sich.
    In diesem Zwischenreich der Zeit, zwischen Leben und Tod, erschallten die Trommeln und Trompeten, ertönte ein letztes Mal der Schlachtruf ›Deus vult‹.
    Alice sah auf den Gesichtern der sie umgebenden Männer, Frauen und Kinder die Entschlossenheit, die Heilige Stadt mit Hilfe des Herrn einzunehmen oder zu sterben.
    Dann begaben sich Tausende von Männern zu ihren Stellungen und Frauen, Kinder, Verletzte, Alte auf die Suche nach weiteren Steinen für die Katapulte. Die Bogenschützen formierten sich.
    Alice blieb mit dem blinden Olivier am Arm einen Augenblick stehen und blickte Bernhard nach, beobachtete, wie er im

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