Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
blickte sich noch einmal um, besonders bei den mit Gold verzierten Kapitellen der Säulen häuften sich die toten Kämpfer.
Bernhard trat aus der düsteren Halle auf den Tempelberg hinaus, blinzelte, geblendet vom grellen Licht der Nachmittagssonne, vom gleißenden Gold der Kuppel des Felsendomes. Vor ihm Leichen, Leichen bis zu den hohen Mauern, die den festungsartigen Platz umgaben.
Nun aber war es fast still hier. Von den Kreuzfahrern war nur noch wenig zu sehen, lediglich einige gingen noch herum und versetzten den Verwundeten, den Röchelnden einen letzten Schlag. Die Masse der Pilger aber hatte sich aufgemacht zum Dankgottesdienst in der Grabeskirche und zum Plündern.
Das war das Stichwort. Auch er musste sehen, dass er die Mittel fand, sein verpfändetes Land wieder auszulösen, er musste ein Haus finden, mit Schätzen gefüllt, er musste endlich reich werden.
Bernhard eilte die Stufen zur Schönen Pforte hinunter, überlegte, ob er geradeaus zur Davidsburg laufen oder in eine Seitengasse abbiegen sollte. Es kam ihm laut grölend eine Gruppe von Kreuzfahrern entgegen, Frauen waren dabei, die sich auf Tote stürzten und ihnen den Bauch aufschlitzten, um Geld oder Edelsteine, die die Verfolgten verschluckt haben mochten, an sich zu bringen. Bernhard wich ihnen angewidert aus und ging entschlossenen, schnellen Schrittes in eine dunkle Gasse. Am Ende aber, dort wo sich die Häuser zu einem Platz weiteten, stand ein lang gestrecktes herrschaftliches Haus, vor dessen bunten Glasfenstern schmiedeeiserne, mit Gold verzierte rote Gitter angebracht waren.
Da hineinzugehen lohnt nicht, überlegte Bernhard. Der Palast da ist längst von jemandem in Besitz genommen worden.Wer zuerst kommt, malt zuerst. Dem gehört das Haus.
Es wunderte ihn nur, dass das Portal weit offen stand. Hätte sich ein Kreuzfahrer schon des Palastes bemächtigt, er hätte sicher das Tor geschlossen.
Bernhard trat ein. Das Dunkel der weiten, tonnenartigen Halle umfing ihn. Eine breite Treppe führte hinauf in den ersten Stock, auf der Rückseite war eine Tür geöffnet und gewährte den Blick in einen Blumengarten mit einem Rondell, in dem ein Springbrunnen sprudelte.
Friedlich war es hier, kein Kampfgeschrei, nur eine fast beängstigende Stille, die durch das leise Plätschern des Wassers noch betont wurde. Licht, Staub tanzte, flimmerte in der Nähe des Portals. Sonst war der Raum in Dunkelheit gehüllt. Bernhard rief, niemand antwortete. Das Haus war menschenleer. Seine früheren Besitzer geflohen, wahrscheinlich tot. Es wunderte ihn wieder, dass kein Kreuzfahrer hierher gefunden hatte. Bernhard zuckte die Achseln und entschied sich, den Palast in Besitz zu nehmen. Ein rascher Blick hatte ihn schon beim Eintreten davon überzeugt, dass in diesen Mauern Schätze verborgen sein mussten. Der hier gelebt hatte, musste ein sehr bedeutender Herr gewesen sein, wahrscheinlich ein Offizier der Eliteeinheit Iftikhar ad- Daulahs.
Bernhard sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem er seinen Namen auf den Fußboden schreiben konnte. Er zerbrach auf dem Steinfußboden einen Tonkrug, schreckte zusammen von dem Laut, fasste sich an seine Stirn. Mit einem Mal bemerkte er seinen Durst, seinen Hunger. Bernhard strich mit der Hand über sein Gesicht, es war wie eingefallen, er fühlte sich ermattet, erschöpft.
Unsinn, dachte er und hockte sich nieder, um die drei Bären der Grafen von Baerheim in den Fußboden zu ritzen. Das würden auch die vielen Nichtlesekundigen im Heer verstehen. Dieser Palast war sein.
Ein Knarren auf der Treppe, leise Schritte ließen ihn aufschrecken, ließen ihn aufblicken.
Im Halbdunkel stand eine junge Frau, ein Kind im Arm.
Bernhard kam hoch, ihm schwindelte, ihm wurde einen Moment schwarz vor Augen.
Die Frau starrte ihn an. Sie trat ein wenig vor, sodass durch das geöffnete Portal auf das lockige, schwarze Wuschelhaar des Kindes ein Lichtstrahl fiel.
»Hanno!«, schrie Bernhard und in dem Gewölbe hallte es schrecklich wider.
»Hanno!«, schrie er abermals.
Die Frau hielt sich vor Entsetzen den Mund zu, starrte den Ritter an, als würde sie ihn erkennen.
»Hanno!«, schrie Bernhard ein drittes Mal und nun erst wurde ihm bewusst, es war eine Täuschung. Hanno war tot, ermordet. Mit einem grässlichen, schmerzlichen Aufschrei, mit seinem furchtbarsten »Deus vult« stürzte er auf die Frau zu.
Die presste ihr Kind fest in den Arm, lief, rannte und floh aus dem Palast. Vor ihnen die steilen Stufen zur Klagemauer.
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