Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
hatte, weil die Seldschuken ihn mehr und mehr bedrohten und bis vor die Tore Konstantinopels byzantinisches Gebiet erobert hätten.
»Unter Opfern haben wir uns aus unserer Heimat im Westen auf den weiten, beschwerlichen Weg gemacht. Die meisten Ritter haben ihre Ländereien an die Klöster und Bischöfe verpfändet, wir sind tagelang durch Regen und zuletzt gar durch Schnee bis Konstantinopel gepilgert, und nur ihr Männer wisst, was es bedeutet, tagelang in nassen Kleidern auf einem Pferd zu sitzen und sich wund scheuern zu lassen.« Die Ritter konnten dies nur bestätigen.
»Nun aber verwehrt uns Alexios den berechtigten und wohlverdienten Einzug nach Konstantinopel, schlimmer noch, er hat auf dem mächtigen, die Stadt umgebenden Theodosianischen Mauerring, der vom Marmara-Meer bis zum Goldenen Horn reicht, auf jedem der nahezu 200 Türme Bogenschützen postiert und keines der zahlreichen massiven Tore ist geöffnet. Stattdessen prangt über dem Haupttor, von Fackeln erleuchtet, das Relief des byzantinischen Kaisers.«
Balduin fluchte, als er diese Dreistigkeit erwähnte.
»Doch das ist nicht alles!«, rief er mit drohender Stimme. »Wie wir alle am eigenen Leibe erfahren haben, hat der byzantinische Kaiser all unsere Hoffnungen auf Gastfreundschaft in den Wind geschlagen. Ohne Rücksicht auf die hungernden Frauen und Kinder schikaniert er uns und hat sogar die Lebensmittellieferungen gestrichen, die er Herzog Gottfried von Bouillon fest versprochen hatte. Kurz und gut, es ist genug.«
Das war das Stichwort. Von einem reich verzierten Thronsessel erhob sich jetzt ein verwahrlost aussehender Mann mit struppigem Bart und wildem Blick, aber von kräftiger Statur, über dessen Anwesenheit sich Bernhard in dieser Gesellschaft edler Ritter still gewundert hatte. Dass Balduin einen solchen Mann von offenbar niederer Herkunft duldete und ihm gar einen Ehrenplatz zugewiesen hatte, musste in dessen Pläne passen.
Er sei Schmied, begann der Fremde, aus Paris kommend. Er habe das Kreuz genommen und zu dem Heer Peters des Einsiedlers gehört.
»Ich bin einer der wenigen Überlebenden, die im letzten Herbst den Schwertern Sultan Kilidj Arslans entkommen sind. Wir haben uns tapfer geschlagen, aber Ihr werdet noch jetzt bei Eurem Durchzug nach Nikäa Zigtausende von Skeletten unserer Pilger finden.«
Er machte eine Pause, in der alle Anwesenden sich diese grässlich anzusehenden Toten vorstellten.
»Der Kaiser hat uns im Stich gelassen«, sagte er schlicht.
Wieder schwieg er. Dann flüsterte er kunstvoll:
»Alexios ist ein Verräter.«
Die anwesenden Ritter teilten lautstark diese Einschätzung und wünschten Taten.
Balduin versprach diese nicht nur, vielmehr teilte er den Rittern mit, dass er nun, da die Weihnachtstage längst schon verstrichen seien, morgen, gleich nach der Messe, beabsichtige, die Vororte Konstantinopels zu plündern.
Ob sie bereit seien? Die Ritter erhoben sich aus der weichen, duftenden Fülle und tranken Balduin aus mit Gold eingefassten, geschliffenen Glaspokalen zu, wie sie dergleichen in Franken und dem deutschen Reich nie gesehen hatten.
»Die Abmachung gilt«, bestätigte Balduin sein Vorhaben, während die Ritter sich mit den an einer Truhe abgelegten Schwertern umgürteten, sodass die reich verzierten Schnallen so nur klingend zuschnappten.
»Morgen nach der Messe schlagen wir zu.« Balduin freute sich sichtlich auf dieses Spektakel.
Sie tauschten einander den Bruderkuss und verließen das Zelt.
Bernhard trat in die dunkle, etwas windige Nacht hinaus. Vom Rosenduft war ihm ganz schwindlig. Es war offenkundig, Balduin liebte den Luxus, die Verschwendung, die verführerische Weichheit, dabei war er zugleich härter, unbarmherziger und gewaltsamer als sein Bruder Gottfried. Der besprach sich nun seit Tagen mit den Grafen und hohen Herren, um endlich zu einer Entscheidung zu kommen, ob er Kaiser Alexios den geforderten Treueid ablegen sollte. Hatte Alexios doch tatsächlich zur Gaudi aller diesen Hampelmann, diese groteske Witzfigur, den Grafen Hugo von Vermandois, ins Lager geschickt, um den Herzog dazu zu bewegen, mit ihm in den Kaiserpalast zu kommen und dem Kaiser die Treue zu schwören. Dieser Weichling, ließ sich vom Glanz und den Geschenken, den weiblichen Annehmlichkeiten bezirzen. Der in Waffen – ein Witz!
Gottfried hatte ihn denn auch ausgelacht, gedemütigt musste er sich wieder nach Konstantinopel zurückziehen. Trotzdem, Alexios wartete immer noch. Wie konnte er die
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