Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
wurde.
    Während sie sich das Essen schmecken ließen, erzählte Sepp einiges von seinen Erlebnissen, und es war deutlich zu hören, dass er Starrheim beinahe wie einen Heiligen verehrte und Sebastian in seiner Wertung ebenfalls einen sehr hohen Rang einnahm. Zuletzt drehte er seinen Becher etwas unschlüssig in der Hand und starrte durch die anderen hindurch in eine nur für ihn erkennbare Ferne.
    »Graf Rudolf hat mir angeboten, als Dienstmann bei ihm zu bleiben. Wenn mein Weib damit einverstanden ist, wäre es mir sehr recht. Es könnte ein neuer Anfang für uns beide sein.« Er stellte den Becher ab, ohne davon getrunken zu haben, und holte einen kleinen Beutel unter seinem Gürtel hervor. Als er denInhalt in seine Hand schüttete, sahen die anderen ein Kreuz und ein Herz aus schwarzem Gagat.
    »Glaubt ihr, dass meine Frau sich freuen würde, wenn ich ihr das mitbringe?«, fragte er etwas unsicher.
    Hedwig nahm ihm die beiden Schmuckstücke aus der Hand, um sie genauer zu betrachten. »Sie wäre eine Närrin, täte sie es nicht. Wo hast du das her? Ich möchte meiner Tochter auch so etwas mitbringen.«
    Sepp wies durch das Fenster in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Um die Kathedrale leben etliche Handwerker, die schöne Dinge herstellen. Viele Pilger nehmen solchen Schmuck mit als Erinnerung an ihre Reise.«
    »So etwas hätte ich auch gerne«, flüsterte Tilla.
    Sebastian nahm lächelnd ihre Hand. »Ich werde dir das schönste Schmuckstück schenken, das du dir vorstellen kannst. Wenn du willst, heißt das natürlich!«
    Tilla erwiderte das Lächeln und nickte. »Natürlich will ich!«
    »Es gibt auch ausgezeichnete Zinnschmiede hier. Wer also einen Krug oder so etwas braucht, findet gewiss etwas«, fuhr Sepp in seiner Beschreibung fort.
    »Ein schöner Krug wäre doch ein hübsches Mitbringsel für meinen Vater. Das findest du doch auch, Tilla?« Sebastian gefiel die Idee, erhielt aber von Tilla einen Nasenstüber.
    »Wenn du jetzt bei allem, was du tun willst, mich fragst, werde ich böse. Ein Mann muss auch einmal alleine entscheiden können, genauso wie eine Frau.«
    Sebastian verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Auweh, der erste Ehestreit kommt bereits, bevor wir überhaupt Hochzeit gefeiert haben. Das verspricht nichts Gutes für die Zukunft.«
    »Du brauchst mich ja nicht zu heiraten.« Tilla wandte ihm beleidigt den Rücken zu, brachte es aber nicht fertig, lange in dieserHaltung zu verharren. Ihre Freunde besprachen nämlich die Pläne für die nächsten Tage. Während Dieter und Peter dafür waren, sich nach ein paar Tagen der Erholung auf den Heimweg zu machen, wiegte Sebastian nachdenklich den Kopf.
    »Nicht, dass es mich nicht auch wieder nach Hause zieht, aber ich möchte zu gerne noch das Ende der Welt sehen.«
    Tilla fuhr herum. »Das Ende der Welt? Was ist denn das?«
    »Finis Terrae, das ist jene Stelle, an der das letzte Land endet und die Weite des Ozeans ihren Anfang nimmt. Schon die alten Römer nannten diesen Ort das Ende der Welt. Dahinter kommt nichts mehr.« Vater Thomas hatte beschlossen, den Platz, welchen er von seinen früheren Pilgerfahrten her kannte, auch diesmal wieder aufzusuchen. Sein Beispiel gab den Ausschlag, und es waren vor allem Blanche und die anderen Frauen, die darauf drängten, diese geheimnisvolle Stelle zu betreten. Peter gab Renata nach und Dieter stimmte schließlich ebenfalls zu. Nur Ambros saß mit einem langen Gesicht am Tisch und starrte auf seine Hände.
    »Na ja, das schiebt die Entscheidung noch einmal hinaus«, murmelte er vor sich hin.
    Anna hob die Augenbrauen und musterte ihn neugierig. Anscheinend gab es etwas in Ambros’ Leben, von dem sie noch nichts wusste. Doch es war sinnlos, ihn jetzt danach zu fragen. Sie musste die Augen offen halten und den richtigen Augenblick ausnützen, um hinter sein Geheimnis zu kommen.
    »Also ist es abgemacht. Wir reisen zum Ende der Welt!« Vater Thomas hob seinen Becher und trank den anderen zu. Jetzt, wo seine Gruppe bis auf Starrheim wieder zusammen war, fühlte er sich besser. Sepp versicherte, dass der österreichische Graf sie gewiss begleiten würde, und wurde von Blanche mit einem erleichterten Lächeln belohnt. Da er wusste, wie Rudolfvon Starrheim zu der jungen Dame stand, sicherte er sich ihre Dankbarkeit durch einen ausführlichen Bericht über dessen Heldentaten.
    Die anderen hörten ihm zu und lächelten zufrieden. Sie hatten ihr Ziel glücklich erreicht, vergaßen darüber jedoch nicht

Weitere Kostenlose Bücher