Die Plantage: Roman (German Edition)
Heights der Ort, wo er sich mit seinem Schicksal abfinden konnte.
Durch die großen Fenster sah er, dass seine Droschke wie verabredet vorm Eingang wartete. Er legte Geld auf den Bartresen. Erstaunt bemerkte er, dass der Kellner ihm im Gegenzug ein Briefchen zuschob. William entfaltete das parfümierte Billet, auf dem in einer großen, eigenwilligen Schrift stand: »Ich hätte erwartet, du würdest zuerst zu mir kommen. P.« Er sah sich suchend im ganzen Lokal um. Sie war natürlich schon fort.
Am Berkeley Square meldete sich Nick Crawford mit schlechten Neuigkeiten zurück. Der junge Fuhrknecht hatte die Büros der Starline-Agentur verschlossen vorgefunden. Von einem Wachmann hatte er schließlich erfahren, dass nur am Tag vor der Abfahrt eines Schiffes jemand von der Agentur käme, um die Zollabfertigung vorzunehmen.
»Die Tristar soll übermorgen auslaufen«, sagte William, »also können wir erst morgen jemanden in der Agentur erreichen.«
»Dadurch verlieren wir noch einen Tag, Sir. Aber es lässt sich wohl nicht ändern. Ich werde dann morgen noch mal zum Hafen fahren.«
William entließ Nick mit einem großzügigen Trinkgeld.
Als er allein war, überlegte er, wie es jetzt weitergehen sollte. Seine finanzielle Unabhängigkeit veränderte die Lage von Grund auf. Zunächst aber gab es wichtige Dinge zu regeln. Als Erstes musste Néné gefunden werden. Danach wollte er mit dem Notar die nötigen Schritte unternehmen, die ihn als Longuinius’ Erbe legitimierten. Schließlich würde er sich um eine Passage nach Amerika kümmern müssen, damit er Serenity Heights als neuer Eigentümer in Besitz nehmen konnte.Was die Rückkehr nach South Carolina für ihn bedeutete, darüber wollte er jetzt noch nicht nachdenken.
Vor dem Zubettgehen schrieb er einige Briefe, an Clarke, an die Bank, an seinen Schneider in der Saville Row. Danach lag er lange wach. Es war aber nicht die Zukunft in Amerika, die ihn um den Schlaf brachte. Die Vergangenheit hatte den Arm nach ihm ausgestreckt: Ich hätte erwartet, du würdest zuerst zu mir kommen … Und ich, Percy? Was hatte ich erwartet, als ich in den Krieg zog? Hatte ich vielleicht nicht erwartet, du würdest auf mich warten, wie du es versprochen hattest?
Selbst nach so langer Zeit tat ihm die Erinnerung an Persephones Untreue fast körperlich weh und er spürte die Wut der Enttäuschung, die ihn damals fast um den Verstand gebracht hatte. Sein Freund John Rutherford reiste im November 1778 als Adjutant in der Geleittruppe des scheidenden Oberbefehlshabers General Howe nach England. Drei Monate später kehrte Rutherford mit Neuigkeiten aus London nach New York zurück. Er erzählte von Bruce Earnshaw, einem Freund aus ihren gemeinsamen Anfängen bei den Queen’s Dragoons. Earnshaw war im zweiten Kriegsjahr in den Stab von Major-General Malvern in die Heimat zurückbeordert worden und hatte in der Londoner Militärverwaltung schnell Karriere gemacht. Als er zum Major befördert wurde, berichtete Rutherford, habe er sich offiziell mit Miss Persephone Hunter verlobt.
Die Demütigung hatte William ihr nie verziehen. Und heute hatte sie ihn im Spices beobachtet. Das war eines ihrer kleinen Spiele, typisch Percy, auch das Briefchen gehörte zu dem Spiel: Ich hätte erwartet, du würdest zuerst zu mir kommen. Warf sie ihm etwa vor, er habe seinen Antrittsbesuch versäumt? Na gut, er würde mitspielen und alles Versäumte nachholen.
Persephone Hunter bewohnte die zweite Etage eines hübschen Backsteinhauses mit weiß lackierten Fensterkästen und schmiedeeisernenScheinbalkonen in Nummer vierzehn, Charles Street. Es war eine Adresse, die sich nicht der vornehmen Exklusivität St. James’s rühmte, doch gehörte man auch in Mayfair zur feinen Gesellschaft. Als William am folgenden Tag zur offiziellen Besuchszeit seine Karte abgab und sich der Dame melden ließ, konnte er feststellen, dass sie auf der Sonnenseite der dramatisch expandierenden Stadt lebte.
Er wurde in den mondänen Salon geführt und gebeten, einen Moment zu warten. Seine souveräne Geduld voraussetzend, brachte ihm der Diener eine Tasse Tee. Nicht dass ihn die Begegnung mit seiner ehemaligen Herzdame nervös gemacht hätte, doch fand er nicht die Ruhe, Platz zu nehmen. Persephone wusste, wie er es hasste, wenn sie ihn warten ließ. Es war unklug von ihr. Ein Wiedersehen nach so langer Zeit war schwierig genug. Gerade als er den Stock nahm, um zu gehen, erschien sie.
»Es gibt niemanden, der so wundervoll grimmig
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