Die Plantage: Roman (German Edition)
ein subalterner Angestellter sein.
Tyler streifte sie kaum mit einem Seitenblick. Er hatte sie in ihren Männerkleidern nicht erkannt. Erst als Joshua sagte: »Die Gentlemen wollten Sie sprechen, Madam«, bemerkte Tyler seinen peinlichen Irrtum.
»Bitte um Vergehung, Mrs. Lorimer! Ich konnte ja nicht ahnen …«
»Schon gut, Mr. Tyler«, lachte sie, »ich werde Ihnen noch einmal verzeihen.«
Er verneigte sich galant und stellte ihr seinen Mitarbeiter vor. »Mr. Croydon hier ist mit der Bewertung Ihres Anwesens betraut. Ich begleite ihn, um mir selber einen Eindruck vom Zustand der Plantage und der Immobilien zu verschaffen, bevor ich in der Frage Ihres Kredits eine endgültige Entscheidung treffe.« Mit Blick auf das Haus nickte er beifällig. »Ich gebe zu, es spricht einiges dafür, den Besitz zu erhalten. Das Wohnhaus ist exquisit, und die Anbauflächen sollen vielfältig nutzbar sein. Auf dieser Basis, Madam, lässt sich wohl eine vernünftige Regelung finden.«
Antonia führte die Männer ins Speisezimmer. Sie hatten kaum an dem langen Esstisch Platz genommen, als Tyler berichtete, ein Geschäftskunde der Bank habe sich bereiterklärt, für einen Kredit zum Wiederaufbau Legacys zu bürgen.
»Als Gegenleistung«, ergänzte Croydon, »müssten Sie ihm auf drei Jahre die Nutzung Ihrer Indigopflanzung in der Gemarkung Gordon’s Hunting überlassen. Sollten Sie danach zur Rückzahlung der Kreditsumme nicht in der Lage sein, würde der Bürge für Ihre Schulden eintreten, dafür ginge die Indigopflanzung in sein Eigentum über.«
»Das ist wirklich sehr großzügig von Mr. Shaughnessey«, sagte Antonia. »Ich hatte ihm Gordon’s Hunting zur Pacht angeboten. Dass er eine Bürgschaft für Legacy übernehmen würde, hätte ich nicht erwartet.«
»Mr. Shaughnessey ist Geschäftsmann, Mrs. Lorimer«, erklärte Tyler geduldig. »Er weiß, was Ihre Indigopflanzungen wert sind. Im Übrigen stellt er faire Bedingungen, darum rate ich Ihnen, das Angebot anzunehmen.«
Antonia begann zu begreifen, dass sie von ihren ärgsten finanziellen Sorgen befreit war, und es wurde ihr leicht ums Herz. Nachdem alle Details durchgesprochen waren, versprach sie, die Unterlagen so bald wie möglich unterzeichnet zurückzusenden. »Haben Sie vielen Dank, dass Sie den weiten Weg hierher gemacht haben, Mr. Tyler!«, sagte sie, indem sie die Männer zu ihrer Kutsche begleitete.
»Es war mir eine Freude, Mrs. Lorimer«, beteuerte Tyler. »Und es wäre schön, wenn ich Sie in Charles Town wiedersehen dürfte … in der Bank selbstverständlich«, setzte er rasch hinzu.
Weil er Antonias amüsiertes Lächeln bemerkte, hielt er den Zeitpunkt für gekommen, sich zu verabschieden. Er versicherte sie seiner Verehrung, auch Croydon verneigte sich, und die beiden wollten eben in den Wagen steigen, als aus der Allee das Geräusch raschen Hufschlags klang.
Ein Reiter näherte sich in schnellem Galopp. Er sprengte in unvermindertem Tempo auf das Haus zu und brachte sein Pferd nach einer Levade auf dem Vorplatz zum Stehen. Das erhitzte Tier schnaubte, stampfte und schlug mit den Hufen, dass der Sand aufflog. Der Reiter neigte gelassen den Kopf zum Gruß.
Antonia beobachtete Marshalls Rückkehr mit gemischten Gefühlen. Natürlich war sie erleichtert, dass er zurück und wohlauf war. Aber was hatte er sich dabei gedacht, vor aller Augen hier aufzutauchen? Er wusste, wie problematisch seineSituation war und dass er auch sie womöglich in Gefahr brachte. Ganz besonders missfiel ihr dieser flamboyante Auftritt, als wolle er von Haus und Hof Besitz ergreifen.
»Herrlicher Morgen für einen Ausritt, Sir!«, rief Joshua, der wie ein guter Reitknecht gleich herbeigelaufen kam. Er fasste Ghost bei der Kandare und hielt den Steigbügel, um William beim Absitzen zu helfen. Der schwang sich aus dem Sattel und landete sicher, aber hart auf beiden Füßen. Ein brutaler Schmerz schoss durch seinen Körper, nur mit Mühe konnte er einen Aufschrei unterdrücken. Joshua überließ ihm die Zügel, und so hielt er sich an Ghosts Zaum aufrecht, während es so aussah, als führte er sein Pferd zur Kutsche, wo ihn Antonia neben Tyler und Croydon erwartete.
»Guten Tag, Madam. Ich sehe, Sie haben Besuch?« Er verneigte sich knapp und überließ es Antonia, ihn bekanntzumachen.
»Colonel, dies sind Mr. Tyler und sein Assistent, Mr. Croydon vom Bankhaus Ashley & Bolton in Charles Town«, sagte sie formell, »und Gentlemen, ich darf Ihnen Colonel Marshall
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