Die Plantage: Roman (German Edition)
mit den Männern spricht. Er hat diesen einschüchternden Ton an sich, den sie in der Britischen Armee pflegen.«
»Wundert Sie das? Er hat jahrelang in der Kolonialarmee gedient.«
Gallagher überlegte kurz. »Er müsste sich ’75 wie General Lee als einer der Ersten General Washington angeschlossen haben …« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Aber Marshall ist nicht der Typ, der die Seiten wechselt, Jake.«
»Er hat die Kolonialarmee verlassen, um für Amerika zu kämpfen. Das ist etwas anderes als die Seiten zu wechseln. Er ist schließlich Amerikaner.«
»Er ist ein Tory, haben Sie das noch nicht bemerkt?«
»Washington war froh, als er gut ausgebildete Leute wie Marshall bekam, um seine Truppen zu führen. War ihm doch gleich, ob seine Offiziere Tories waren! Hauptsache, sie brachten den Jungs bei, wie man gegen die Engländer kämpft.«
»Wissen Sie eigentlich, wo er herkommt?«
»Marshall? Er sagte aus dem Norden. New York, vielleicht New Jersey, was weiß ich … Ach Tom, Sie mögen ihn einfach nicht! Das ist Ihr gutes Recht, aber lassen Sie es Mrs. Lorimer nicht merken. Es würde ihr gar nicht gefallen.«
William sah in seinem Appartement nach Néné. Er brauchte ihn heute nicht mehr und schickte ihn zu Bett. Im Arbeitszimmer nahm er den Passagierbrief für die Independence aus seiner Brieftasche und legte ihn aufgefaltet auf die grünlederne Schreibunterlage. Gedankenversunken betrachtete er das wappengeschmückte Firmenemblem der Norrington Steele, ehe er sich losriss, um in die Bibliothek zurückzugehen.
Antonia lag auf dem Diwan und sah ins Kaminfeuer. Er setzte sich zu ihr, beugte sich über sie, küsste sie.
»Du bist so schön heute Nacht! Die beiden jungen Männer werden sich über meine verliebten Blicke amüsiert haben.«
»Sie fanden es weniger amüsant, wie du sie vor die Tür gesetzt hast, Will.« Doch sie lächelte nachsichtig und ließ sich von ihm umarmen. Sie sehnte sich nach Zärtlichkeit, nur würde er nicht sehr zärtlich sein, nicht in einem Moment wie diesem. Schon zog er sie zu sich, raffte ihr Kleid hoch über ihre Hüften. Sie spürte sein Gewicht, als er über sie kam, und schloss die Augen.
Das Feuer war heruntergebrannt, darum nahm er seinen Rock vom Boden auf und deckte sie damit zu. Auf einmal sagte er: »Warum hast du mich heute nicht erwartet?«
Sie rückte etwas von ihm ab. »Du hättest auch zu mir kommen können. Vielleicht habe ich ja in meinem Zimmer auf dich gewartet.«
»Hast du das? Hast du wirklich auf mich gewartet?«
Sie schmiegte sich in seinen Arm und legte den Kopf an seine Schulter. »Ist das denn so wichtig, William? Tagelang gehst du deiner Wege, ich sehe dich meistens erst am späten Abend. Soll ich immer nur auf dich warten?« Sie seufzte. »Tut mir leid, ich will nicht schwierig sein. Aber es geht mir nicht gut. Vielleicht bin ich krank.«
»Du siehst nicht krank aus, Antonia. Was fehlt dir denn?«
»Ich weiß nicht, was es ist. Seit ein paar Tagen bin ich müde, immer nur müde.«
Er sagte nichts. Als sie ihn ansah, wirkte er abwesend.
»Was gab es in Charles Town?«, fragte sie, um auf andere Gedanken zu kommen. »Du hast noch gar nichts erzählt. Wen hast du getroffen?«
Er schwieg, blickte nachdenklich an ihr vorbei.
»William?«
»Ja? Oh, gestern Abend waren wir mit Mr. Ashley im Foundation Club. Tyler, Shaughnessey und ich gingen danach in eine Bar am Hafen, es wurde spät. Auf dem Heimweg hat Tyler von dir geredet. Du scheinst ihm viel zu bedeuten.«
»Oh bitte, William! Fang nicht wieder davon an.«
»Ich wollte nur sagen, er ist ein anständiger Bursche. Wenn es ums Geschäft geht, kannst du dich auf ihn verlassen.«
»Wieso sollte ich mich auf Mr. Tyler verlassen?«, fragte sie. »Du kümmerst dich doch um alles.«
»Auf jeden Fall wird er für dich da sein.«
Sie merkte, dass er ihrem Blick auswich, und erschrak. Das also war es! Das war seine Art, ihr mitzuteilen, dass er fortgehen würde. Sie hatte immer befürchtet, dass er sie einmal verlassen würde, trotzdem war es ein Schock. Nur die seltsame Erschöpfung, die alle ihre Empfindungen dämpfte, milderte ihren Schmerz in diesem Augenblick.
»Wer wird mir helfen, die Plantage zu führen?«, fragte sie, nur um nicht schweigend sein Schweigen zu ertragen. »Mr. Tylerwird nicht jeden Tag herkommen, um hoch zu Ross die Reispflanzungen zu inspizieren.«
»Ich habe mit Mr. Robert gesprochen. Er weiß ebenso gut wie ich, was zu tun ist. Wenn du einverstanden bist,
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