Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
Vom Netzwerk:
wird er die Verwaltung übernehmen.«
    Sie waren weiter voneinander abgerückt, mit jeder Minute würde es schwieriger werden, wieder zueinander zu finden. Sie wollte ihn nicht schon jetzt verlieren, darum überwand sie die Enttäuschung, die Kränkung und den Kummer und nahm seine Hand.
    »Es bleibt uns doch noch etwas Zeit, William?«
    Darauf nahm er sie behutsam in den Arm und wiegte sie. Als könnte das ihr Leid verringern.
    Er hatte sie im Morgengrauen geweckt. Immer stand er in der Stunde zwischen Nacht und Morgen auf und begann als Erster auf der Plantage den Tag; eine Gewohnheit, die ihm bei allen Respekt eintrug, außer bei Antonia, die sich morgens nie von ihm trennen mochte. Wenn er sie eine Zeit lang wach gehalten hatte, ging er hinunter in seine eigenen Räume, zu den morgendlichen Ritualen des Waschens, Rasierens und Ankleidens, bis er dann für einen frühen Umritt das Haus verließ.
    An diesem Morgen wollte ihm das Gewohnte nicht recht gelingen. Er ging zwischen Fenster und Bett hin und her, erzählte ihr vom Einbau der Schleuse, und dass die Apparatur heute für einen Probelauf in Betrieb genommen würde. Dann setzte er sich zu ihr ans Bett, um ihr noch etwas anderes zu sagen.
    »Longuinius hat mir geschrieben, um mich nach Serenity Heights einzuladen. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich ihn gerne besuchen.«
    »Will, ich habe nie versucht, über deine Zeit zu verfügen.«
    »Ich weiß. Aber weil ich doch …«
    »Nein!« Sie fuhr hoch, wiederholte entschieden: »Nein! Sag es nicht!«
    »Also gut.« Er stand auf, offensichtlich wollte er ihre Weigerung, über seine Abreise zu sprechen, als Vorwurf auffassen. »Dann werden wir von jetzt an nicht mehr darüber reden.«
    Nachdem er gegangen war, sank sie weinend aufs Bett. Es war das eingetreten, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatte: Obwohl er noch da war, verließ er sie nach und nach, mit jeder Minute mehr. Und sie musste es ertragen, verlassen zu werden. Es war ein zersetzender, entmutigender Zustand, dieses ungewisse Warten auf den Abschied. Und doch war alles besser, als wenn er schon fort wäre.
    Als sie später aufstand, fühlte sie sich so matt wie an den vergangenen Tagen. Sie trank in der Gesindeküche Tee, wechselte teilnahmslos ein paar Worte mit Charlene und ging zu den Stallungen. Außer Noah Lytton, der die leeren Pferdeboxen auskehrte, war niemand da. Wer anpacken konnte, musste heute bei der Montage der neuen Schleusenanlage mithelfen. Antonia ritt am Altwasserkanal entlang durch den Wald. Als sie auf die Lichtung kam, sah sie vom Kamin der Kate einen dünnen Rauchfaden aufsteigen.
    »Du hast Glück«, wurde sie von der Indianerin begrüßt, »ich abe Haferkekse gebacken. Sind gerade fertig geworden.«
    Kaum hatte Antonia sich auf der Bank am Fenster niedergelassen, kam Ruhe in ihre Gedanken, und sie fühlte sich so frisch wie schon seit Tagen nicht mehr. Wie immer gab ihr dieser Ort Kraft und Selbstvertrauen: Auch wenn sie William verlor, verlor sie doch nicht sich selbst.
    Vier Federn setzte sich ihr gegenüber. »Erzähl.«
    »Er geht fort, er verlässt mich. Was soll ich nur tun?«
    »Das, was du immer getan hast«, sagte Vier Federn schlicht. »Lebe dein Leben.«
    Antonia schüttelte den Kopf. »Welches? Mit ihm hatte gerade ein neues Leben begonnen!«
    »Dann wirst du noch einmal von vorne anfangen, es ist sehreinfach: Du stehst auf, du isst, du schläfst. So lebst du Tag für Tag, Jahr für Jahr dein Leben. Ich tue es bis heute.«
    Antonia bemerkte einen alten Kummer in den Augen der Indianerin. Ohne Einleitung begann Vier Federn zu erzählen: »Ich hatte mit meinem Bruder auf den Hügeln Flechten gesammelt für die Heilerin unseres Dorfes. Kleiner Bär und ich waren auf dem Rückweg, als wir die Schüsse hörten. Ich wollte mich mit ihm verstecken, doch er riss sich los und lief voller Angst zum Dorf zurück. Ich folgte ihm bis zum Fluss … Auf den Kiesbänken lagen die Krieger des Otter-Stammes. Alle waren tot, ihre Körper von Säbeln aufgeschlitzt. Im Uferwasser floss ihr Blut. Weiße Männer standen zwischen den Toten. Sie skalpierten sie, die langen Zöpfe mit den Federn und bunten Perlen banden sie sich vorne an die Gürtel. Von den Hautfetzen troff Blut, es färbte ihre Hosen rot und lief ihnen in die Stiefel … Wo die Hütten gestanden hatten, waren schwarze Ascheflecke. Sie hatten die Familien zusammengetrieben, die Alten, die Mütter mit ihren Söhnen und den kleinsten Kindern getötet. Die Mädchen hatten

Weitere Kostenlose Bücher