Die Poison Diaries
Rowan. Der Name meiner Familie ist entehrt, und ich habe geschworen, ihn nie mehr auszusprechen.«
Meine Ankläger fangen an zu diskutieren.
»Warum will sie uns ihren Namen nicht nennen?«
»Entehrt? Vielleicht sollten wir einen Priester holen.«
»Was, wenn sie die Tochter eines Edelmanns ist? Vielleicht wird eine Belohnung für ihr Aufgreifen gezahlt.«
Bei dieser Aussicht wenden sich aller Blicke wieder zu mir. Ein gutes Dutzend Augenpaare schauen mich gierig an.
Mittlerweile ist mir die Kälte des Flusswassers bis in die Knochen gekrochen. »Ich versichere Ihnen«, sage ich zähneklappernd, »dass es niemanden gibt, der auch nur einen Penny für mich zahlen würde. In barer Münze ausgedrückt, bin ich völlig wertlos für Sie.«
»Wertlos? Wohl kaum. Ich würde Miss Rowan mein ganzes Vermögen zahlen, wenn sie darum bittet.«
Im Türrahmen steht Maryams Vater. Die Augen liegen vor Müdigkeit und Sorge tief in den Höhlen. »Das Fieber meiner Tochter ist gesunken.« Er schiebt sich durch die Menge zu mir und nimmt meine eiskalten Hände in seine. »Danke. Danke für Ihre Freundlichkeit und Ihr Mitgefühl.«
Er wendet sich meinen Anklägern zu. »Schon vor Sonnenaufgang habe ich mich auf die Suche nach einem Arzt gemacht. Stunde um Stunde bin ich von Haus zu Haus gegangen. Aber es war kein Arzt aufzutreiben. Mein Herz fühlte sich wie ein Stein in meiner Brust an. Ich glaubte, meine Tochter bei meiner Rückkehr nur noch tot vorzufinden.«
Er schweigt. Einen Augenblick lang ist nur mein Zähneklappern zu hören. »Stattdessen war sie auf dem Weg der Besserung. Meine Frau sagt, dass diese Dame, Miss Rowan – die Sie alle wie eine Verbrecherin behandeln – zu uns kam und die Hand meiner Tochter gehalten hat. Sie hat ihr einen Tee zubereitet. Hat für ihre Gesundheit gebetet. Wer von Ihnen hat auch nur annähernd so viel für uns getan?«
Er bekommt keine Antwort, bis auf verlegenes Füßescharren. Er funkelt den Gastwirt an. »Wenn es ein Verbrechen ist, einem kranken Kind zu helfen, dann müssen Sie mich auch verhaften, weil ich einen Arzt holen wollte, und meine Frau, weil sie seit Mitternacht kein Auge zugetan, sondern unsere Tochter gepflegt hat.«
Der Gastwirt hebt abwehrend die Hände. »Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich. Hier wird niemand verhaftet. Das Fieber ist gesunken, sagen Sie?«
»Gott sei Dank, ja.« Die Stimme des Teppichhändlers ist rau vor Zorn. »Und ich möchte noch etwas sagen, Sir. Wenn dies die Art und Weise ist, wie in Ihrem Haus Gäste behandelt werden, dann werden Sie bald keine Kundschaft mehr haben. Ich werde überall, wohin ich auch komme, erzählen, was hier vorgefallen ist. Ich werde dafür sorgen, dass alle fahrenden Händler von Inverness bis Bagdad erfahren, was für entsetzliche Dinge in diesem Haus geschehen sind!«
Der Gastwirt murmelt einige Worte der Erklärung, wenn auch nicht der Entschuldigung. Aber der Bann ist gebrochen. Mit einer Handbewegung scheucht er die Ankläger aus dem Saal. »Das Mädchen trägt Schminke und trinkt Tee, und deshalb soll ich sie als Hexe verurteilen? Unruhestifter, das seid ihr! Macht, dass ihr wegkommt! Wenn ihr morgen nicht sowieso abreisen würdet, würde ich euch auf die Straße setzen, egal wie viel Geld ihr hier ausgebt …«
***
Maryams Vater bringt mir ein Kleid seiner Frau. Er bleibt bei mir, während ich meine Habseligkeiten zusammensuche. Mein ganzes Geld ist verschwunden, aber wenigstens sind mir die Kräuterpäckchen geblieben. Dann begleitet er mich zurück in meine Kammer.
Nachdem er gegangen ist, wickele ich mich in alle Decken, die ich finden kann. Wenn mir warm werden würde, könnte ich schlafen – und ich würde schlafen wie eine Tote – aber die Kälte lässt nicht nach. Mein Körper ist zerschlagen, meine Gedanken drehen sich im Kreis. Die Zeit zerrinnt mir zwischen den Fingern, aber ich bin zu schwach, um zu tun, was nötig ist.
Es vergeht keine Stunde, da taucht Maryams Mutter mit einer Schale Brühe bei mir auf. Sie will mich füttern wie ein krankes Kind, aber ich bitte sie, die Schale auf dem Nachttisch abzustellen. »Ihre Tochter braucht Sie«, sage ich. »Gehen Sie wieder zu Maryam.«
Sie nickt und ringt die Hände. »Mein Mann ist jetzt bei ihr. Aber ich musste kommen und Ihnen sagen, dass es mir so leidtut, was man Ihnen angetan hat, Miss Rowan. Ich versichere Ihnen, dass ich nichts gesagt habe, zu niemandem. Ich habe mein Versprechen gehalten. Als mein Mann zurückkam, erzählte
Weitere Kostenlose Bücher