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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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geht es.« Fridolin griff nach meinem Arm und zog mich hinaus, als könnte ich nicht selber laufen, einen Gang entlang, stieß eine Tür auf. Der Garten! Sonne und Licht. Blasses Septemberlicht. Mitten auf dem Rasen, unter dem breitästigen Baum das Pony!
    »Jonni!« rief Fridolin. Es hob den Kopf, schüttelte die Mähne. »Jonni!«
    Jetzt kam es uns entgegen, langsam. Auch mein Herz klopfte. Ein Traum, vielleicht war es doch ein Traum. Bis es dicht vor uns stand, und den Kopf senkte, und Fridolin es zwischen den Ohren kraulte, und ich die Hand auf die Mähne legte und wußte, es ist Wirklichkeit. Ein lebendiges kleines Pferd. Kein Postkartenpony. Man kann sich noch soviel wünschen und vorstellen, Papier ist nicht lebendig. Aber dies hier!
    Fridolin kramte aus seiner Hosentasche Zucker. Ich durfte ihn hinhalten, fühlte die weichen Lippen, das leise Schnauben. Es blieb stehen, trabte nicht davon, ließ sich alles gefallen. Kleiner war es als das Inselpony, aber genauso schwarz.

    Fridolin schwieg. Ich streichelte und fütterte. Und einen Augenblick hatte ich die unerhörte Vision eines Ponys auf unserem Balkon. Ich sah die Geranien, den dunklen Kopf, die weichen Lippen, die vorsichtig an den Geranienblättern schnupperten, und hörte die Stimme von Mutter: »Sorge bitte dafür, daß es nicht das Zimmer betritt.«
    Ich mußte lachen.
    »Woran denkst du? Heute morgen sahst du ziemlich tragisch aus.«
    »An das Pony. Und heute morgen? Na, weißt du, wenn dein Aufsatz vorgelesen wird.«
    »Stört dich das? Mir macht das nichts aus.«
    »Es war nett von dir gemeint«, murmelte ich, »aber unsere Lehrerin läßt sich nicht beeinflussen.«
    »Nein?« Er strich dem Pony über den Rücken. »Ach was, du mußt das nicht so tragisch nehmen. Sie hat sich etwas anderes vorgestellt, mehr sachlich. Deins war ein bißchen Märchen, aber hübsch, mir hat es sehr gefallen.«
    Was sollte ich antworten? So einen Jungen hatte ich noch nicht erlebt. Rudi und Tom sprachen nie so vernünftig mit mir.
    »Jonni«, fing Fridolin wieder an, »genug mit der Futterei.« Das Pony spitzte die Ohren, schüttelte den Kopf, als sagte es: »Nein.« Wir lachten. Fridolin gab ihm einen Klaps. »Los jetzt«, es trabte davon.
    Wir folgten ihm langsam. Der Garten war viel größer, als ich es vom Fenster aus gesehen hatte. Die alten Bäume standen so dicht. Wir gingen unter den dichtbelaubten Zweigen wie im Dämmern. Fridolin kannte alle mit Namen. Rotbuchen, Trauerbuche, tief hingen die Äste herab, wölbten sich wie ein Dach. Kastanienbäume, die endlos hohe Pappel, dicht an der efeubewachsenen hohen Mauer. »Dahinter läuft die Annenstraße«, Fridolin hob die Hand, »die Häuser sind alle geräumt. Schon seit einem Jahr.«
    Ich starrte auf den Efeu. Die Mauer war doppelt so hoch wie ich. Trug eiserne Spitzen.
    »Damit bestimmt niemand hinüberklettern kann«, erklärte Fridolin, »aber es klettert doch jemand, behauptet Frau Marogis, Großvaters Wirtschafterin. Etwas Kleines, Schwarzes. Ach was, sie spinnt, ich habe noch nie etwas gesehen.«
    »Vielleicht eine Katze?« fragte ich.
    »Unsinn, so groß wie ein sechsjähriges Kind.«
    »Ein Kind?«
    »Sie weiß es nicht. Sie findet ihre Brille nie im richtigen Augenblick. Und wenn ich oben am Fenster sitze und warte, erschienen keine Gespenster.«
    Ich sah mich um.
    Es wurde dunkler unter den Bäumen. Rhododendronbüsche verschwanden fast im Spätnachmittagslicht. Man konnte sich darin verstecken. Unwillkürlich faßte ich nach Fridolins Hand.
    »Du bist nicht ängstlich, nein?« Er lachte. »Ich glaube nicht an das Schwarze. Frau Marogis ist alt, über sechzig, und schon lange hier im Haus. Komm, ich zeig dir Jonnis Stall.«
    Er lag an der Schmalseite des Gartens, dicht an der Mauer, die hier kaum bewachsen war. Ein Stall? Ein Verschlag eher, eine Tür fehlte. Das war doch kein Stall!
    »Doch«, sagte Fridolin, »Jonni ist eben keine Kuh. Ein Shetlandpony würde krank werden, wenn es zu warm gehalten würde. Luft braucht es, Sonne, Wind, auch Regen und Schnee. Sie sind wettergewohnt. In ihrer Heimat pfeift der Wind viel stärker. Aber Jonni ist hier geboren. Wußtest du, daß hier früher mein Urgroßvater eine kleine Ponyfarm hatte? Er hat sich zwei Pferdchen, eine Stute und einen Hengst, von den Shetlandinseln mitgebracht. Auch seine Frau stammt von der Insel, sie hieß Sylove. Merkwürdiger Name.«
    »Auf der Nordseeinsel, auf einem alten Grabstein, steht er auch.«
    »So? Hab’ ich noch nie gesehen.

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