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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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erzählt.
     
    Die Wolle bekam ich sofort. Das alte Fräulein, das mich bediente, sah aus wie aus einer alten Illustrierten, die mir Vati einmal gezeigt hatte. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einem hohen Kragen und hatte ihr graues Haar zu einem kleinen Dutt zusammengezwirbelt. Ihre Nase glänzte rot. Und in dem Laden war es noch dunkler als in der Ponyapotheke. Wir mußten an die offene Tür gehen, um die Wollfarbe zu vergleichen.
    »Genau, genau«, bestätigte das Fräulein. Schnupfen hatte sie auch. Jedenfalls schnüffelte sie und hatte wohl kein Taschentuch.
    »Die Puppe, im Fenster, möchtest du sie näher sehen, sie stammt noch von meiner Urgroßmutter?«
    »Interessant«, ich wurde ungeduldig, »aber ich spiele nicht mehr mit Puppen. Wie spät ist es?«
    »Vier, gleich vier, mein Kind.« Sie wickelte mir die Wolle ein. »So, du spielst nicht mit Puppen. Schade, sehr schade. Ich hätte sie dir sonst gern herausgeholt. Hier ist die Wolle. Grüße deine Mutter. Es ist sehr traurig, sehr traurig.«
    Ich nickte. Wenn sie die Düsternis meinte, damit war ich einverstanden, darüber konnte man traurig sein.
    »Wir schreiben deiner Mutter, mein Kind, die Adresse habe ich ja.« Damit entließ sie mich endlich. Aber draußen auf der Straße wäre ich am liebsten wieder umgekehrt. Wegen der Puppe. Ich hätte »Ja« sagen und sie mir zeigen lassen sollen. Zu spät. Wie immer. Hinterher fällt mir ein, was ich falsch gemacht habe.
    Ich sah mich um. Die Straße war menschenleer. Der Kran quietschte irgendwo, weit hinter dem Bauzaun. Mir kam alles wie verzaubert vor.
    Fridolin lief mir voraus, eine breite Treppe hinauf, die vom Flur hinter dem Laden in den ersten Stock führte. Den alten Apotheker hatte ich nicht gesehen. Ein fremder junger Mann bediente eine Frau im Laden. Fridolin hatte vor dem Haus auf mich gewartet, was ich ganz unnötig fand. Ich war doch kein kleines Kind.
    Auf dem obersten Treppenabsatz blieb er jetzt stehen, wandte sich und sagte: »Kommst du?«
    Sah er nicht, daß ich kam? Warum war er so eifrig, so aufgeregt?
    Ein langer Flur. Am Ende ein schmales Fenster, ein Baum legte seine Zweige dicht an die Scheiben. Viele Türen. Fridolin stieß rechts eine auf. Überrascht blieb ich stehen. Helle Wände, die beiden hohen Fenster weit geöffnet, grüne Baumzweige. Ein Tisch vor dem Fenster voller Bücher und Zeitschriften. Auch die beiden Stühle waren mit Büchern und Kleidung bedeckt.
    Er kippte einen Stuhl so, daß alles auf die Erde polterte.
    »Ich bin noch am Einräumen«, entschuldigte er sich.
    »Macht doch nichts«, für was hielt er mich. Rechts in der Regalwand standen schon einige Bücher. »Soll ich dir helfen?«
    »Nein«, er lachte. Wenn er lachte, sah er besonders komisch aus. Seine scharfen kleinen Augen wurden noch winziger über den runden Backen. Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen. Ich wollte nicht, daß er merkte, wie drollig das aussah. Aber er blickte mich gar nicht an, sondern zog mich ans Fenster.
    »Da«, er wies in den Garten. Ich beugte mich neben ihm hinaus. Und ich mußte tief atmen.

    Im Grasgarten - alt und verwildert, rechts unter einem breitästigen Baum ein Pony!
    Schwarz, mit einer dichten dunklen Mähne, die fast die
    Augen verdeckte. Jetzt hob es den Kopf, suchend, als warte es. Dann trabte es ein Stück weiter und fing wieder an zu grasen.
    Ich starrte Fridolin an.
    Wieder wurden seine Augen klein und glänzend.
    »Deshalb solltest du kommen. Sieht ihm ähnlich, dem Pony auf der Insel, was?«
    Ich hing schon wieder aus dem Fenster. Fridolin hielt mich an der Schulter fest.
    »Es gehört meinem Großvater, und mein Großvater will es verkaufen.«
    »Verkaufen? Aber warum denn?«
    »Weil...«, er brach ab, horchte. Jemand rief seinen Namen unten im Haus. »Komm, schnell«, drängte er, »die Kommission, wir müssen dabeisein.«
    »Wir? Ich auch?« Aber ich folgte ihm. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Mir kam alles so seltsam vor. Warum konnte ich nicht einfach zu dem Pony gehen? Wir rannten die Treppe hinunter. Unten im dämmerigen Flur eine offene Tür. Ich erkannte das helle faltige Gesicht des alten Apothekers. Er saß an einem runden Tisch in einem hochlehnigen Stuhl. Er hob die Hand, als er Fridolin erblickte.
    »Mein Enkel«, sprach er fast zu laut, als wir eintraten. Auch hier war es nicht sehr hell. Die alten Möbel glänzten! Ich sah drei Männer in dunklen Anzügen vor dem Fenster wie Schatten. Sie flüsterten. Einer hielt ein großes weißes Papier in

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