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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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sehr freundlich aus. Er wird mir helfen, fühlte ich.
    »Mein Fräulein«, er stand auf. Ich erhob mich ebenso schnell, fiel aber wieder zurück, blieb sitzen. Was? Warum sprach er nicht weiter?
    »Ich würde Ihnen gern das kleine Pferd zurückgeben, ohne daß Sie ein Drama aufführen. Das ist nicht nötig. Ich habe gar nichts dafür bezahlt. Man hat es mir zur Verfügung gestellt. Geschenkt. Aber...«, er machte eine kleine Pause, »das Pony ist gar nicht mehr hier.«
    Nun sackte ich doch tief in den Sessel hinein. Verflixt, es war schwer hochzukommen. Geschenkt? Ich saß immer noch.
    Doktor Kassel half mir und faßte nach meiner Hand.
    »Entschuldigen Sie.« Ich war puterrot geworden. »Und wo... wo ist es nun hingeraten?« fragte ich verzweifelt, als ich endlich wieder stand.
    »Fräulein...?«
    »Petersilie«, sagte ich hilflos. Mir fiel im Augenblick kein anderer Name ein.
    »Hübsch. Also Fräulein Petersilie, ich hole meinen Mantel. Und dann fahren wir dorthin, wo das Pony jetzt wohnt. Sie können selbst entscheiden, ob ich es eintauschen soll. Vorher möchte ich noch etwas fragen. Haben Sie Geschwister?«
    »Zwei Brüder«, murmelte ich dumpf, »und eine Sie bin ich auch nicht.«
    Er nickte lächelnd.
    »Jünger als du?«
    »Älter.« Was sollte die Fragerei?
    »Und was machen sie?«
    »Meine Brüder gehen zur Schule und ärgern mich.«
    »Oft?«
    »Na, es geht.«
    »Aber sie sind gesund?«
    Ich hatte endgültig genug von der Fragerei. Rückte an meiner Kappe und sagte: »Wir wollten über das Pony sprechen, nicht über meine Brüder.«
    »Es hängt damit zusammen.« Doktor Kassel blieb unverändert freundlich, drehte sich etwas um und rief: »Anne!« Und noch einmal: »Anne!«
    Trappelnde Schritte, Lachen! Glucksendes Lachen. Herein trippelte ein kleines Mädchen, drei oder vier Jahre alt, die hellen Haare zottelten wild um das runde Gesicht.
    »Guten Tag, Anne«, sagte ich.
    »Tag!« stieß das kleine Mädchen heraus. Starrte mich einen Augenblick an. Drehte sich um und verschwand wieder.
    »Anne hat auch einen älteren Bruder. Komm, Fräulein Petersilie.« Er ging mir voraus, nahm seinen Mantel von der Garderobe und rief in den Flur hinein: »Ich bin in einer Stunde zurück.« Er öffnete die Tür zum Garten. »Geh nur voraus, ich hole noch meinen Wagen aus der Garage.«
    Es war ein herrlicher Wagen. Vatis VW konnte sich da bestimmt verstecken. Wie leicht er fuhr. Wie schnell. Was war das vorhin eine langweilige Fahrt mit dem Bus gewesen.
    Doktor Kassel sprach kein Wort. Ich mochte nicht fragen. Der Bruder der kleinen Anne! Was sollte das? Es konnte mir doch gleichgültig sein, ob Anne einen älteren Bruder hatte. Was hatte der mit dem Pony zu tun? Nichts. Erwachsene sind oft wirklich nicht zu verstehen. Wie schwierig alles war. Das mit dem Schenken konnte ich mir nicht vorstellen. Herr Konitz verschenkte Jonni nicht, bestimmt nicht. Wollte Doktor Kassel sich herausreden? Er schwieg und schwieg. Ich wagte nicht ihn anzusehen. Die Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum. Hatte er Jonni für einen Zirkus ausgesucht? Weil er so klein war? So klug? Jonni, Jonni! Im Zirkus. Auf keinen Fall. Womöglich lernte er Kunststücke und mußte im Kreise umherlaufen. Und ich sollte mich freuen und ihn bewundern. Nein, nein, ich preßte die Hände im Schoß zusammen. Ich mußte ruhig bleiben, überlegen, nachdenken. Ich mußte die richtigen Antworten wissen, wenn Doktor Kassel mich vor die Tatsache stellte. Ich mußte Jonni zurückholen. Auch Silberne Sonne, das Indianermädchen, hatte nicht nachgegeben. Ich wollte auch nicht nachgeben. Ich wollte Jonni behalten.
    Die ersten Häuser von Hamburg tauchten auf, die Brücken, die Elbe. Der Rathausmarkt, die Innenstadt, weiter, weiter. Wohin fuhr er mich? Mein Herz klopfte wie rasend.
    Der Stadtpark. Der Wagen glitt eine breite Allee entlang, die im weiten Bogen um den Park herumführte. Das Tempo verringerte sich. Noch mehr. Wir bogen in eine Seitenstraße.
    Der Wagen hielt vor einem hellen hohen Haus.
    »Komm«, sagte Doktor Kassel und half mir beim Aussteigen.
    Es war das Kinderheim, von dem Fridolin erzählt hatte. Ich stand auf einer breiten Treppe im Flur und blickte durch ein Fenster in eine große Halle hinab. Die Kinder spielten und lachten. Einige turnten an Geräten. Auch der kleine Junge mit den viel zu kurzen Armen. Seine Hände saßen gleich am Ellbogen. Er sprang über eine Matte und schrie vor Freude. Er war Doktor Kassels Sohn. Das Winterlicht fiel hell durch

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