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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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letztlich kaum mehr als ein Aussichtspunkt mit Blick auf die Ebene und das Panorama mit dem Palácio da Pena hoch droben ist.
    Auf das Abenteuer, den Palácio da Pena zu erklären, wird sich der Reisende nicht einlassen. Es ist schon anstrengend genug, ihn zu besichtigen, den Schock über dieses Durcheinander von Stilrichtungen zu ertragen, mit zehn Schritten von der Gotik zum manuelinischen Stil, vom Mudéjar zum Neoklassizismus zu gelangen und von alldem zu Phantasiestilen, die weder Hand, geschweige denn Fuß haben. Nicht leugnen kann man jedoch, dass der Palast, aus der Ferne betrachtet, als ungewöhnliche architektonische Einheit wirkt, was vermutlich weit mehr darauf zurückzuführen ist, dass er sich perfekt in die Landschaft einfügt, als auf die Proportionen seiner Bestandteile. Mit jedem einzelnen Element zeigt der Palácio da Pena die Verirrungen der Phantasie, wenn sie sich überhaupt nicht um ästhetische Ähnlichkeiten oder Widersprüche kümmert. Der Turm steht in klarem Widerspruch zu dem großen zylindrischen Bergfried am anderen Ende, und dieser wiederum gehört zu einer anderen Familie als die kleineren achteckigen Erkertürme rechts und links der Porta do Tritão. Grandeur und Einheit besitzen die mächtigen Bögen, auf denen die oberen Terrassen und die Galerien ruhen. Hierin könnte der Reisende eine Anregung für Gaudi sehen, wenn es nicht eher zuträfe, dass beide sich von denselben exotischen Quellen inspirieren ließen, der große katalanische Architekt und der deutsche Militäringenieur von Eschwege, den ein anderer Deutscher, Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, nach Pena geholt hatte, um seinen romantisch überspannten Phantasien, so ganz nach deutschem Geschmack, Gestalt zu geben.
    Dennoch ist es richtig, dass die Serra de Sintra ohne den Palácio da Pena nicht das wäre, was sie ist. Würde man ihn aus der Landschaft tilgen, von einem Foto von diesen Bergen wegretuschieren, wäre das eine drastische Veränderung dessen, was inzwischen Natur ist. Der Palast wirkt, als sprösse er aus dem Felsmassiv, auf dem er steht. Ein schöneres Kompliment kann man wohl kaum einem Bauwerk machen, das sich in seinen einzelnen Komponenten, wie jemand einmal schrieb, »durch Phantasie, mangelnde Sensibilität, schlechten Geschmack und Improvisation « auszeichnet. Im Innern des Palastes allerdings sprengen diese Phantasie, diese mangelnde Sensibilität, dieser schlechte Geschmack, die Improvisation alle Grenzen.
    Hier muss der Reisende etwas deutlicher werden. Fraglos befinden sich im Empfangssalon, dem Schlafzimmer der Königin Dona Amélia, dem Meißenzimmer, um nur einige zu nennen, kostbare Möbel und Gegenstände, darunter einige von beträchtlichem materiellen und künstlerischen Wert. Jedes einzelne Stück, isoliert von den anderen Gegenständen daneben, verdient eingehende Betrachtung. Doch anders als die baulichen Komponenten des Palastes, die sich zu einer überraschend harmonischen Einheit aus Gegensätzen zusammenfügen, finden hier drinnen dekorative Gegenstände, die sich gerade durch verwandten Stil auszeichnen, noch nicht einmal zu einem schlichten Miteinander. Und als man bestimmte antike Stücke hier unterbrachte, wurden sie zunächst neutralisiert, dann von der allgemeinen Atmosphäre erschlagen: Dona Amélias Schlafzimmer ist ein Beispiel dafür. Wollte der Reisende ein Wortspiel machen, würde er sagen, dieser Palast ist eingerichtet wie ein Stadtpalais. Das exzessiv romantische Äußere hat die exzessiv bourgeoise Einrichtung wahrhaftig nicht verdient. Zu dem künstlichen Pfad für Wachposten, den überflüssigen Wachhäuschen an den Ecken und Schießscharten, die an längst vergangene Kriege erinnern, hat sich das theatralische Szenarium eines Hofes gesellt, für den Kultur im Wesentlichen Ornament war. Wenn die letzten Könige sich von der Anstrengung des Regierens erholen kamen, betraten sie ein Theater – der Unterschied zu einem gemalten Hintergrund ist nicht groß. Müsste der Reisende wählen, dann würde er von Eschweges organisiertes Chaos dem Neureichenluxus der königlichen Herrschaften vorziehen.
    Da der Reisende die maurische Burg Castelo dos Mouros schon von diesen Schlössern aus gesehen hat, gibt er sich damit zufrieden. Burgen sollte man übrigens im Allgemeinen von außen betrachten, und diese, aus der Entfernung so hübsch und nett, will auch so gesehen werden: sinnbildlich.
    Der Reisende macht sich wieder auf den Weg, und all die Kurven, die er fahren muss, die

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