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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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wie dieser einen Namen hätte, der gut vom Alentejo spräche, denn ein anderes Wort, das schlecht von ihm spricht, gibt es bereits: Latifundium. Und das ist: Longador (langer Schmerz).
    Da der Reisende nicht viel sieht, wovon er sprechen könnte, oder nicht davon spricht, was er alles sieht, setzt er Wörter vor seine Worte, sozusagen ohne tiefere Absicht oder als reines Spiel, in der Hoffnung, wenn er sie so und nicht anders anordnet, möge sich ihm eine Wahrheit offenbaren, eine Lüge enthüllen. An Zeit, den Glückstreffer zu landen, hat es ihm im Übrigen nicht gefehlt zwischen Ponte de Sôr und Alter do Chão, auf der Fahrt zwischen Korkeichen und Stoppelfeldern in strahlender, wenn auch noch milder Sonne.
    In Alter do Chão steht die Burg wie auf einem Tablett mitten im Ort. Im Allgemeinen werden Burgen auf unzugängliche Anhöhen gesetzt, wobei der Reisende nie erkennen kann, welches Interesse man an ihrer Eroberung gehabt haben konnte, wo doch die Reichtümer von Ackerbau und Viehzucht im Tal geschaffen werden und man den schönen Müßiggang am Fluss, im Obstoder Gemüsegarten genießen und einfach nur an einer Rose riechen kann. Hier umringt der Ort die Burg, statt dass die Burg mit ihren Mauern den Ort umschließt und schützt. Sie erinnert den Reisenden an eine andere, die er in Gent in Belgien gesehen hat, auch mit einer Tür zur Straße, es fehlte nur noch die Hausnummer. Aber die Burg von Alter do Chão ist mit ihren zylindrischen Befestigungstürmen und ihren konischen Türmchen hübsch anzusehen. Dom Pedro I. ließ sie 1359 erbauen. Wenn er sie nur errichten ließ, aber nie sah, hat er etwas versäumt: Die Burg hätte den königlichen Besuch sehr wohl verdient gehabt. Doch darf der Reisende nicht mit Steinen auf fremde Dächer werfen, denn vor kurzem erst hat er die von den Römern gebaute Brücke über den Seda passiert und nicht von ihr gesprochen. So soll denn nun gesagt sein, dass sie mit ihren sechs Rundbögen ein majestätisches Bauwerk ist, und falls man im Laufe der Zeit ein wenig zu ihrem Erhalt beigetragen hat, muss gesagt werden, dass das Mauerwerk so massiv wirkt, als hätte es darauf verzichten können. Damals trug Alter do Chão den lateinischen Namen Abelterium. Wie die Zeiten sich ändern.
    Aber es gibt in Alter noch etwas Schönes, abgesehen von den Pferden, die der Reisende sich nicht angesehen hat. Einen Brunnen. Der anmutige Bau, im Auftrag von Dom Teodósio II., dem fünften Herzog von Bragança, 1556 erbaut, denkt sicherlich sehnsüchtig an die alten Zeiten zurück, da er mitten auf dem Platz stand und den Durst eines jeden stillen konnte. Heute hat er zu seiner Rechten eine Bank und zu seiner Linken eine Snack-Bar. Aber freigebig ist er noch immer, wie man an unser aller Großmutter sieht, die hier ihren Krug mit frischem Wasser füllte. Der Stil des Brunnens ist Renaissance, von der Zeit arg mitgenommen, Medaillons und Voluten sind beschädigt, die korinthischen Kapitelle zerbrochen. Der Reisende kann sich nicht damit abfinden, wenn schöne Dinge vergehen. Eine indirekte Art, sich nicht damit abzufinden, dass alle Dinge vergehen.
    Nach Norden fahrend, trifft er wieder auf den Seda, dieses Mal mit einer bescheideneren Brücke versehen. Geradeaus ist Crato, ein hochgelegenes Städtchen, von dem man auf die gewellte, nüchterne Landschaft schaut. Vielleicht rührt der Eindruck der Nüchternheit nur von den trockenen Stoppelfeldern her. Gut möglich, dass im Frühling das grüne Meer der Kornfelder das Herz zum Singen bringt. Jetzt wirkt dieses Land dramatisch. Es sei denn, der Reisende gibt wieder einmal seiner Neigung nach, den eigenen Gemütszustand auf das zu übertragen, was er sieht – dann bedeutet die Strenge der Felder nur, dass die Erde ausruht.
    Wenn er könnte, täte der Reisende das auch. Die Hitze ist mörderisch, die Zikaden sind in kollektive Ekstase gefallen, nur Verrückte sind um diese Stunde auf den Landstraßen unterwegs. Und auch in den Orten, Crato ist dafür ein Beispiel, wagen nur wenige Menschen, einen Fuß vor die Tür zu setzen, geschlossene Fenster und Türen sind die einzige Barriere gegen die Ofenglut in den Straßen. Einen heroischen Jungen, der sich nicht vor der Hitze fürchtet, fragt der Reisende, wo sich dies und das befindet. Die Pfarrkirche ist wie durch ein Wunder geöffnet. Abgesehen von ansehnlichen Bildern aus dem 15. und 16. Jahrhundert und der Pietà, die als Geschenk des Großmeisters des Johanniterordens aus Rhodos hierhergekommen

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