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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Sie sich über wahre Größe lustig machen?« wollte Gaspard wissen.
    »Nein!« brachte Cullingham heraus. »Mich überkommt nur die Bewunderung für einen Mann, der die Vernichtung von ein paar psychotisch-kreativen Rie senschreibmaschinen mit der Grandeur eines Weltuntergangs ausmalen kann.«

8

    »Gaspard«, fuhr der größere, dünnere Teilhaber des Raketen-Verlages fort, als er sich wieder gefangen hat te. »Sie sind zweifellos der wildeste Idealist, der sich je mals in eine konservative Gewerkschaft eingeschmuggelt hat. Bleiben wir bei den Tatsachen: Wortmaschinen sind nicht einmal Roboter, sie waren niemals am Le ben; von Mord zu sprechen ist also reine Fiktion. Menschen haben die Wortmaschinen gebaut, und von Menschen wurden sie gesteuert. Ja, Menschen – wie Sie wissen, habe ich auch dazu gehört – überwachten die geheimnisvollen elektrischen Vorgänge im Inneren, so wie die alten Autoren die Aktivität ihres Unterbewußtseins steuern mußten – was gewöhnlich auf höchst unwirksame Weise geschah.«
    »Naja, wenigstens hatten die alten Autoren ein Unterbewußtsein«, sagte Gaspard, »worüber ich mir bei uns nicht mehr so sicher bin. Auf keinen Fall reicht unser Unterbewußtsein aus, um neue Wortmaschinen auszustatten und ihre Gedächtnisbänke zu füllen.«
    »Trotzdem ist das ein sehr wichtiger Aspekt«, beharrte Cullingham höflich, »den wir nicht aus dem Auge verlieren sollten, besonders nicht angesichts des kommenden Mangels an Literatur. Die meisten Leute glauben, daß die Wortmaschinen von den Verlegern erfunden und übernommen wurden, weil der Geist ei nes einzelnen Autoren nicht mehr ausreichte, um die gewaltige Menge Rohmaterial zu speichern, die zur Schaffung eines überzeugenden literarischen Werkes erforderlich war – waren doch die Welt und die menschliche Gemeinschaft und ihre zahllosen Aspekte einfach zu kompliziert geworden, als daß eine einzelne Person alles verstehen konnte. Unsinn! Die Wortma schinen wurden eingesetzt, weil sie vom verlegeri schen Standpunkt aus rationeller arbeiteten.
    Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Literatur hauptsächlich von einigen wenigen Spit zenredakteuren geschrieben – und zwar dergestalt, daß sie die Themen, die Handlungsskelette, die Grundlagen des Stils und die wichtigen Stimuli lieferten, während die Autoren diese Konturen nur noch ausfüllten. Natür lich war eine Maschine, die als Eigentum gelten konn te und an Ort und Stelle blieb, unverhältnismäßig lei stungsfähiger als ein Stall von Autoren, die in der Gegend herumgaloppierten, den Verleger wechselten, Gewerkschaften und Verbände auf die Beine stellten, höhere Honorare verlangten, Psychosen bekamen, Sportwagen kauften, Geliebte unterhielten, neurotische Kinder in die Welt setzten, immer und ewig am Explodieren wa ren und sogar versuchten, einige verrückte Ideen in die von den Redakteuren doch ganz vollkommen vorbereiteten Geschichten einfließen zu lassen.
    Tatsächlich arbeiteten die Wortmaschinen so rationell, daß die Autoren als harmlose, behaglich lebende Galionsfiguren beibehalten werden konnten – und natürlich waren die Autorengewerkschaften inzwischen so stark, daß ein Kompromiß dieser Art auch gar nicht umgangen werden konnte.
    Dies alles stützt mein Hauptargument, daß nämlich das Schreiben aus zwei Dingen besteht – aus dem täglichen Arbeiten und der geschickten Steuerung oder Programmierung. Diese zwei Tätigkeiten sind völlig getrennt zu sehen, und so ist es auch am besten, wenn sie von zwei völlig verschiedenen Personen oder Geräten vollzogen werden. Tatsächlich hätte der Name des steuernden Genies (das heute nicht mehr Redakteur, sondern Programmierer genannt wird) zusammen mit dem Galions-Autor und der Wortmaschine auf den Taschenbüchern oder Hörbändern erscheinen müssen … Aber jetzt lasse ich mich durch mein Hobby von mei ner Behauptung ablenken, die darin besteht, daß letztlich immer der Mensch die höchste direktive Kraft ist.«
    »Vielleicht ist das so, Mr. Cullingham«, sagte Gaspard unwillig. »Und ich muß zugeben, daß Sie ein guter Programmierer waren, wenn das Programmieren tat sächlich so schwierig und wichtig war, wie Sie es be schreiben – was ich eigentlich bezweifeln möchte. Wur den die Grundprogramme nicht gleich beim Entstehen der Wortmaschinen mit eingegeben?« Cullingham schüt telte den Kopf und setzte zu einem Achselzucken an.
    »Wie dem auch sei«, fuhr Gaspard fort, »ich habe gehört, daß ein

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