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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Sein Weib willst du nicht werden, aber unseren Neffen heiß machen, bis er seinen Verstand verliert, das kannst du. Männer denken nun mal mit dem, was sie zwischen den Beinen haben. Eine kluge Frau weiß das und benimmt sich entsprechend.« Evas Blick verriet ihre Empörung. »Hast du bei allem auch nur einen Moment an meine kleinen Söhne gedacht, die oben fiebernd in ihren Betten lagen? Was, wenn die Buben heruntergekommen wären? Hätten sie euch vielleicht zusehen sollen?«
    Nachdem das Verhältnis zwischen ihnen so frostig geworden war, dass man förmlich das Eis knirschen hörte, machte die Hebamme eines Tages einen überraschenden Vorschlag. Theresa solle nach Mainz gehen, wo Meline, Joschs entfernte Base, ebenfalls als Wehmutter arbeitete. Meline habe sich einverstanden erklärt, die junge Frau ab
sofort als Lehrmagd anzunehmen, allerdings nur unter der Bedingung - dabei wurde Evas Tonfalls drohend -, dass sie sich als fleißig, ehrbar und gehorsam erweise. Theresa hatte nur das Wort »Mainz« gehört und sofort genickt.
    Josch ließ sie vor sich auf dem Weißen aufsitzen und brachte sie in die große Stadt. Dass er das alte Pferd vom Kloster ausleihen durfte, bedeutete nichts anderes, als dass die Magistra über alles informiert sein musste, was sich zwischen dem jungen Küfer und der Lehrmagd zugetragen hatte. Ein Gedanke, der Theresa heiße Schamesröte ins Gesicht trieb und sogar die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit Willem beträchtlich trübte. Kurz erwog sie, Hildegard einen Brief zu schreiben oder am Rupertsberg vorzusprechen, um klarzustellen, wie es wirklich gewesen war. Doch die beißende Kälte, die selbst mehrere Lagen von Kleidung, die sie als Schutz dagegen angezogen hatte, nicht abhalten konnten, brachte sie schnell wieder zur Vernunft. Die Prophetin vom Rhein hatte schließlich anderes zu tun, als sich ihr Unschuldsgestammel anzuhören!
    Außerdem gab es da auch noch diese trotzige Stimme in ihr, die ihr zuflüsterte, dass es der frommen Magistra ganz recht geschehe. Sollte sie von ihr doch denken, was sie wollte! Schließlich war sie es ja gewesen, die Theresa aus dem Kloster gewiesen und damit erst den Weg für all diese Verwicklungen frei gemacht hatte.
    Josch schien zu ahnen, was sie in Mainz erwartete, denn kaum waren sie am Ziel angelangt, wollte er möglichst schnell wieder weg. Dass Melines Haus zu eng war, um auch noch ihn als Schlafgast aufzunehmen, kam ihm dabei gerade recht.
    »Kopf hoch, Mädchen!« Mit diesen Worten lieferte er Theresa in dem windschiefen Häuschen an der Fischergasse ab. »Base Meline kann manchmal ziemlich derb wirken.
Lass dich davon nicht ins Bockshorn jagen! Im Grunde meint sie es nicht so.«
    Und dann hatte sie ihre künftige Lehrherrin zum ersten Mal erblickt: ein dicker grauer Zopf, nachlässig geflochten. Kleid und Umhang aus grünem, schäbigem Wollstoff. Schmale Augen, eng zusammenstehend, die Theresa misstrauisch musterten. Über der Oberlippe stand dunkler Flaum. Meline war klein und drall, und sie hatte ihre Lehrmagd mit einem Knurren empfangen, das alles andere als erfreut klang.
    Seitdem hockte Theresa zwischen diesen feuchten Mauern, die wie die ganze Umgebung penetranten Fischgestank angenommen hatten, in den Fängen einer kinderlosen Witwe, die launisch war und ausgesprochen bärbeißig werden konnte, wenn das Reißen sie plagte. Inständig sehnte Theresa sich schon bald nach den behaglichen Abenden bei Eva und Josch, dem übermütigen Krakeelen der Buben, vor allem aber nach den weichen Ärmchen des kleinen Johannes, die sich beim Abschied um ihren Hals geschlungen hatten, als wollten sie sie nie wieder loslassen.
    Viel Zeit für solch wehmütige Erinnerungen blieb ihr freilich nicht, denn Meline scheuchte sie, kaum war es hell geworden, herum, bis die Lehrmagd abends todmüde auf ihr Lager sank, in einem winzigen, eisigen Kämmerchen, in dem sie fast mit dem Kopf an die Decke stieß und gerade mal vier Schritte bis zum Fenster machen konnte. In der Nebenkammer, die allerdings um einiges größer und behaglicher eingerichtet war, hauste die Muhme, Melines steinalte Mutter, die das Bett kaum noch verlassen konnte. Das Befehlen aber hatte sie noch nicht verlernt, und das bekam Theresa jeden Tag erneut zu spüren. Kaum größer als ein Kind und klapperdürr, als habe das Alter ihr das letzte Restchen Fleisch von den Knochen geleckt, verfügte
die Muhme über eine kräftige Stimme, die durch die dünnen Wände schallte. Theresa musste sie

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