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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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waschen und ihr Nachtgeschirr leeren, was sie nur widerwillig und mit angehaltenem Atem erledigen konnte. Oft verlangte die Muhme auch, von ihr gefüttert zu werden, und blinzelte sie, während erstaunliche Mengen Brei in ihrem nahezu zahnlosen Mund verschwanden, durch spärliche Wimpern dabei listig an.
    »Trägst einen heimlichen Schatz in deinem Herzen«, hörte das Mädchen sie eines Tages plötzlich murmeln. »Denkst an ihn Tag und Nacht. Bist jetzt deshalb bei uns?«
    Erschrocken fuhr Theresa zurück. Woher konnte die Alte wissen, dass sie sich erst heute wieder am Brand herumgedrückt hatte, wo das stattliche Haus der van Gents stand, wie sie längst herausgefunden hatte?
    Seltsame Bauarbeiten mussten da drinnen verrichtet werden; sie hatte Handwerker mit Säcken, Schubkarren und Leitern hinein- und wieder herausgehen sehen. Doch erstaunlicherweise schienen sich weder Adrian noch Willem in Mainz aufzuhalten, denn sie hatte beobachtet, dass Magota, der sie auf ihren Botengängen öfter heimlich gefolgt war, in ihrem Korb so wenig Essbares vom Markt nach Hause trug, dass zwei hungrige Männer unmöglich davon satt werden konnten.
    Etwas Seidiges drückte sich an Theresas Wade: die Graue, die sich zu Winterbeginn als dürres Knochenbündel ins Haus gestohlen hatte. Inzwischen hatte sie aber so viele Ratten und Mäuse gefressen, dass ihr Bauch ganz prall war und ihr Fell in der blanken Frühlingssonne wie poliertes Silber schimmerte. Offenbar genoss Theresa ihre ganz besondere Zuneigung, die so weit ging, dass die Katze ihr oft mit hoch erhobenem Schwanz hinterherstolzierte, wenn Meline sie wieder einmal quer durch die halbe Stadt
hetzte. Damit die Graue weniger fror und sich nicht ganz so schrecklich einsam fühlte, ließ Theresa sie sogar manchmal mit ins Bett, was das Tier mit dankbarem Schnurren quittierte, das sich bis in Theresas Träume stahl.
    »Brauchst nicht gleich ängstlich dreinzuschauen wie ein verirrtes Lämmchen, das nach seiner Mutter blökt!« Die Muhme begann zu kichern. »War ja schließlich auch mal jung und beinahe so schön wie du. Jedenfalls hat mein Schätzlein das damals immer gesagt.« Der knotige Zeigefinger fuhr in einer verschwörerischen Geste zum Mund. »Ihr dort drüben verrat ich doch ohnehin kein Wort - versprochen!«
    Mit einem seltsamen Gefühl ließ Theresa die Muhme zurück, sobald die Schüssel leer war. Hatte die Alte nur auf gut Glück gemutmaßt? Oder trug sie ihre Empfindungen derart sichtbar zur Schau?
    Sie beschloss, noch vorsichtiger zu sein. Was sie mit Willem verband, ging keinen etwas an. Es war ohnehin schwer genug, all diese Heimlichkeiten und Andeutungen zu ertragen und ihn über endlose Monate nicht zu sehen. Doch irgendwann musste er ja zurückkehren. Und dann konnte niemand auf der ganzen Welt sie daran hindern, endlich mit ihm glücklich zu werden.
    Bis es allerdings so weit sein würde, hatte sie weiterhin unter Meline zu buckeln. Zu Geburten hatte die Wehmutter sie bislang nur selten mitgenommen, beinahe, als ob sie Theresa nicht recht traute und sich erst überzeugen wollte, wer ihr da aufgedrängt worden war. Einmal hatten sie zusammen Zwillinge entbunden, ein bildhübsches Pärchen, allerdings Wochen vor der Zeit und daher so winzig, dass beider Leben lange an einem seidenen Faden hing. Doch der kleine Bub und sein noch zarteres Schwesterchen hatten, in dicke Lagen eingewickelt und fleißig gestillt, zu
Theresas Überraschung die kalten Monate bestens überstanden und sahen inzwischen so rosig und gesund aus, dass alle weiteren Sorgen unnötig schienen.
    Ein anderes Mal war die Frau schon verbraucht gewesen und hatte die ganze Zeit über geweint, weil bereits fünf Kinder da waren und sie nicht wusste, wovon nun auch noch ein sechstes satt werden sollte. Der Mann hatte beizeiten das Weite gesucht und sich in einer Schenke besoffen, bis alles vorüber war. Meline, der Gebärenden gegenüber kein bisschen ruppig, sondern erstaunlich zartfühlend und geduldig, hatte sie von einem kräftigen Jungen entbunden, der mit einem zornigen Schrei auf die Welt geschossen war.
    »Der kleine Racker wollte geboren werden«, sagte die Wehmutter lächelnd. »Schau doch nur, wie schön und stark er ist!«
    »Meinethalben!« Erschöpftes Stöhnen. »Doch er muss unser Letzter bleiben. Beim nächsten Blag geh ich ins Wasser, das schwör ich bei allen Heiligen. Ich kann einfach nicht mehr!«
    »Gib deinem Alten ein wenig von dem Schlafmohn ins Bier. Das wird deine Nächte

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