Die Prophezeiung
seufzte. Sein Gesicht hatte wieder richtig Farbe bekommen. »Unsinn. Ich formuliere es am besten mal so: Diese Formel beweist eine gewisse Genialität. Ein brillanter Mathematiker wie Yellad hätte nicht einfach aufgegeben. Und außerdem …«, Robert beugte sich vor, »hat Yellad zeit seines Lebens nicht nur Spott geerntet, sondern sich auch viele Feinde gemacht. Er behauptete nämlich, die Lösung der Formel würde unendlichen Reichtum und Macht versprechen.«
Katie lachte. »Tja, wenn das so ist – dann wundert es mich nicht, wenn die Hälfte fehlt.«
»Die Leute warfen ihm vor, er sei ein Fälscher, ein Schwindler, ein Scharlatan.«
»Ehrlich gesagt, denke ich das auch.«
»Aber damit machen wir uns es zu leicht. Es gibt weder einen Beweis dafür, dass er gelogen hat, noch dass er recht hatte. In der Physik und Mathematik ist es ziemlich einfach, jemanden als Betrüger zu bezeichnen.«
»Und du glaubst, dass an dieser Formel dieses … wie war noch mal sein Name?«
»Dave Yellad.«
»Dass an dieser Formel etwas dran ist, Rob?«
»Nenn mich bitte nicht Rob.« Er blinzelte und legte die breite Stirn in nachdenkliche Falten. Dann schüttelte er den Kopf. »Wusstet du, dass Yellad nicht alt geworden ist?«, wechselte er das Thema. »Mit vierunddreißig Jahren nahm er an einer Expedition in den kanadischen Westen teil und kehrte nicht von dort zurück. Es hieß, er sei ums Leben gekommen … oder besser …«
»Oder?«
Robert beugte sich nach vorne: »Ich gehe davon aus, dass ihn jemand ermordet hat.«
Vor dem Fenster stand inzwischen eine aschgraue Wand, die den Mond fast vollständig verbarg. Nebel überall. Der dichteste Nebel ever. Er wurde immer undurchdringlicher und so ähnlich fühlte Katie sich auch in ihrem Inneren. Sebastien war aufgewacht. Wie lange hatte sie auf diesen Tag gewartet. Und nun war es geschehen und was tat sie? Sie saß mitten in der Nacht mit Robert in ihrem Zimmer und jagte einem Phantom nach, das ein drogensüchtiger Kommilitone so mir nichts, dir nichts aus dem Hut gezaubert hatte.
Und wofür? Sie hatte keine Ahnung. Konnten sie Benjamin damit wirklich helfen? Und hatte sie im Moment nicht Wichtigeres zu tun?
»Warum gehst du davon aus, dass er ermordet wurde?«, seufzte sie.
Robert war in ein tiefes Schweigen gefallen. Wieder sah er so blass aus, dass seine Gesichtshaut fast durchscheinend wirkte. Eine Haarsträhne hing ihm ins linke Auge, was ihm ein irgendwie verstörtes Aussehen gab. »Du hast es immer noch nicht begriffen, oder?«
»Was denn?« Katie hatte die Nase gestrichen voll. Konnte Robert nicht einmal in seinem Leben Klartext sprechen? Ja, sie mochte ihn, aber seit sie von seinen Albträumen und Vorhersagen wusste, von seinen Visionen, wie Julia sie nannte, war sie überzeugt davon, dass Robert professionelle Hilfe brauchte. Nur war sie bestimmt nicht diejenige, die ihm das eröffnen würde.
Außerdem hatte sie ihre eigenen Probleme. Der Anruf ihrer Mutter hatte sie bis ins Mark erschüttert und sie war noch nicht mal so weit, es vor sich selbst zuzugeben. Und dann war da noch – der Duke.
Nein, es war wirklich zu spät in der Nacht, um Roberts rhetorische Fragen zu ertragen.
Zeit, ins Bett zu gehen. Sie hatte morgen ein wichtiges Date. Der Tag der Wahrheit. Und sie musste sich überlegen, ob sie das wirklich noch haben wollte – haben konnte, nach dem, was passiert war.
Entschlossen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten, erhob sie sich und deutete auf die Tür. »Nein, Robert, ich hab nichts begriffen und jetzt bin ich wirklich dafür, dass du gehst und wir das Ganze morgen weiterdiskutieren.«
Roberts Blick wurde ganz wild. »Katie! Yellads letzter Aufenthaltsort war Kamloops, ein ehemaliger Handelsposten der Hudson’s Bay Company. Das ist nur knapp fünfhundert Kilometer von hier.«
Katie starrte ihn an. »Was soll das heißen?«
»Dave Yellad!« Roberts Kopf ging hin und her. »Er hieß gar nicht Dave oder Yellad.«
»Klar, er war der Duke of Dunbar.«
»Nein. Der Name! Er ist ein Anagramm.«
Katie starrte auf die Buchstaben vor ihr.
Robert sprang auf und schnappte sich einen Kugelschreiber von ihrem Schreibtisch. Er kritzelte etwas auf einen Schmierzettel und zeigte es ihr.
Die Buchstaben standen klar vor Katies Augen und ihr Verstand stellte die korrekte Verbindung her. Doch die Bedeutung, die sich daraus ergab, weigerte sich, in ihr Bewusstsein vorzudringen.
»Schau hin«, erklärte Robert aufgeregt. »Aus Dave Yellad wird Dead Valley.« Er
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