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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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sollten sie wirklich umkehren.
    Umkehren?
    Als Letzter zwängte sich David durch den Spalt. Vielleicht täuschte es, aber Katie hatte den Eindruck, dass es ihm wieder ein bisschen besser ging. Offenbar hatte er sich in der kurzen Pause etwas erholt.
    Robert sah auf seine Uhr und stellte fest: »Die Temperatur ist um acht Grad gestiegen.«
    »Was ist das eigentlich für ein Gerät?« Katie deutete auf sein Handgelenk. Die Frage lag ihr schon seit dem Solomonfelsen auf der Zunge.
    Robert schaute sie ernsthaft an. »Ein Freund von mir hat sie mitentwickelt.« Er strich über sein Handgelenk. »Sagen wir einfach, sie hat alles, was man so braucht.«
    »Und das heißt?«
    »Wir befinden uns in einer Tiefe von vierundzwanzig Metern und laufen Richtung Südosten. Die Temperatur beträgt sechzehn Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von fünfundsiebzig Prozent.«
    Das mochte eine ausreichende Erklärung dafür sein, dass Katie zunehmend Probleme mit dem Atmen hatte. Hier versagte offenbar das Belüftungssystem. Die Luft roch seltsam säuerlich und muffig.
    Oder holte ihre Panik vor engen Räumen sie am Ende doch ein? »Ist in deiner supergeilen Uhr vielleicht auch eine Kamera integriert?«, fragte sie, um sich abzulenken. »Wenn Benjamin dabei wäre …« Sie brach ab.
    Wenn Benjamin dabei wäre … dann wären sie nicht hier.
    David blickte sich zur Wand um. »In Computerspielen schließt sich übrigens die Wand in wenigen Sekunden wieder und lässt uns keinen Weg zurück.« In seiner Stimme klang grimmiger Spott, ein weiteres Anzeichen, dass es ihm so schlecht nicht gehen konnte. David zeigte nicht oft Humor.
    »Wollen wir mal hoffen, dass das in der Realität nicht so ist.«
    Ein Quietschen war die Antwort darauf.
    Knirschen.
    Ohrenbetäubender Lärm.
    Steinwände, die sich drehten.
    Katie blieb die Luft weg und eine Übelkeit überfiel sie, die sie kaum unterdrücken konnte.
    Sekunden später hatte sich die Wand tatsächlich hinter ihnen geschlossen. Kein Spalt war mehr zu sehen. Es war, als hätte es diesen Durchgang nie gegeben.
    Katie öffnete den Mund, aber die Panik hatte sie so fest im Griff, dass ihre Stimme wegblieb. Es war, als stürzte dieses ganze Kartenhaus in sich zusammen, das sie bis hierhin gebracht hatte. Sie hatte sich wirklich eingebildet, auserwählt zu sein. Auserwählt, die Geheimnisse des Tals zu lüften.
    Dabei war sie nun endgültig hier unten gefangen.
    David lehnte erschöpft an der Wand. Sein Gesichtsausdruck verriet Angst und Resignation.
    Robert trug ungerührt etwas in sein Notizbuch ein. »Ich dachte nicht, dass es schon so bald passieren würde«, murmelte er.
    »Was?«, schrie David unvermutet los. »Was meinst du damit? Du hast gewusst, dass die Tür sich schließen würde? Und bist trotzdem weitergegangen?«
    Das war nicht der David, den Katie kannte. Normalerweise peinlich korrekt, beherrscht und mitfühlend, verlor er jetzt die Nerven. Es war, als hätte seine Persönlichkeit plötzlich einen Riss bekommen. Katie hatte noch nie erlebt, dass er ausrastete und sich so aufführte. Kam jetzt der wahre David zum Vorschein, der – genau wie Benjamin gestern – seine Maske fallen ließ?
    »Wir hatten keine andere Wahl«, entgegnete Robert ruhig.
    David gab keine Antwort und Katie begriff. Irgendwann in den letzten Minuten hatte David die Angst um Benjamin zurückgestellt. Es war nun sein eigenes Leben, um das er bangte.
    Und sie konnte es ihm nicht mal verübeln. Der Gedanke, wie sich die Felsmassen über ihnen türmten, war erschreckend. Hier unten eingesperrt zu sein – eine grauenvolle Vorstellung.
    Es ist Absicht, dachte sie. Das Tal macht das absichtlich. Es hat uns alle hier heruntergelockt, um uns in die Knie zu zwingen.
    Oh Gott, sie wurde verrückt. Sie wurde wahnsinnig hier unten.
    Sie holte tief Luft und kämpfte die Übelkeit nieder.
    Sie musste sich beherrschen.
    »Vertrauen wir Robert«, murmelte sie und hörte die eigene Verzweiflung in ihrer Stimme. Sie versuchte einen Scherz. »Jemand, der in nur 70,5 Sekunden die dreizehnte Wurzel aus einer zweihundertstelligen Zahl im Kopf ziehen …«
    Mitten im Satz brach sie ab, denn der Schein der Taschenlampe, mit der Robert ihre Umgebung prüfte, fiel auf ein zerknülltes Blatt Papier. Es erinnerte Katie an die weißen Blätter, die auf der Oberfläche des Sees schwammen. Und an den Papierfetzen, den David im Vorlesungssaal aufgehoben hatte.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Robert bückte sich, um das Papier aufzuheben, und faltete es

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