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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Schneckenhäuser.
    Grace ist wunderschön. Sie ist geschminkt wie eine Tempeldienerin und hat das Haar mit einem orangefarbenen Seidentuch zurückgebunden, das im Nachtwind flattert.
    Ich fürchte, sie könnte wegfliegen, schon schwebt sie über dem Boden. Direkt zum Mond.
    »Pass auf, Grace«, rufe ich, »du hebst ab«.
    Der Gedanke ist beängstigend lustig.
    Gleich bleibt nur noch ihr Schatten hier unten zurück.
    Shadow, oh Shadow, where is my Shadow.
    Doch da steht Milton auf und hält sie fest.
    »Komm«, sagt er und sieht so ernst aus wie immer.
    »Lass sie doch«, mischt sich Paul ein und reicht ihr die Schüssel.
    »Nur noch einen.« Grace verfällt in ihre Kleinmädchenstimme. »Bitteee.«
    »Nein, es reicht.«
    Ihre Stimmen fliegen hin und her. Ich schiebe sie weg und konzentriere mich auf die Musik in mir.
    Nehme zwei Steine aus dem Kreis und schlage sie im wilden Rhythmus meiner Gedanken aufeinander.
    Und merke, dass ich es bin, der den Takt angibt.
    »Hört ihr es«, rufe ich und lache.
    Und werde neu geboren.

Kapitel 19
    David hatte die letzten hundert Meter nicht mehr alleine geschafft. Er zog den rechten Fuß nur noch mehr oder weniger nach. Katie und Robert hatten ihn jeweils rechts und links stützen müssen. Sie waren langsam vorangekommen – aber immerhin – sie waren vorangekommen.
    Um von der nächsten Mauer aufgehalten zu werden.
    Robert fuhr mit den Händen über den Felsen. »Es muss einen Mechanismus geben, mit dem man diese Durchgänge öffnen kann. Oder einen Code.«
    »Aber wir kennen das Geheimnis nicht«, erwiderte Katie.
    »Schlimmer wäre es, wenn wir nicht wüssten, dass ein Geheimnis existiert.«
    »Ach ja? Dann würde ich jetzt gemütlich in meinem Zimmer sitzen und mich auf die Prüfungen vorbereiten.«
    »Warten wir«, sagte Robert und ließ sich zu Boden sinken, wo er sein Notizbuch hervorzog und sich seinen Berechnungen widmete.
    »Was sagt deine Uhr?«, fragte David.
    »Wir sind noch tiefer und die Temperatur liegt immer noch bei sechzehn Grad.«
    Katie lehnte sich an die Wand. »Zumindest klingst du, als wüsstest du, was hier vor sich geht. Hoffen wir, dass sich auch diese Mauer für uns öffnet.« Sie deutete auf das Zeichen unter der Decke. »Es sind jetzt drei Kreise. Das ist gut, oder?«
    Robert sah zufrieden aus. Er nickte.
    »Was genau ist daran gut?«, murmelte David. Er lehnte an der Wand und hatte die Augen halb geschlossen.
    »So wie es aussieht, kann es nicht mehr weit bis zum Zentrum sein.«
    »Und dann?«
    »Dann haben wir vielleicht eine Chance, die Lösung zu finden.«
    Katie hob die Schultern. »Die Lösung für das Tunnelsystem? Oder die für Benjamins Zustand?«
    Robert sah sie ernst an. »Beides.«
    David ließ sich neben Robert fallen und rieb sich den Fuß. »Verdammt, was ist das bloß?« Er stöhnte. »Es fühlt sich an wie eine schwere Thrombose, was eigentlich ein gutes Zeichen ist. Nach einer äußeren Verletzung schützt das Gerinnungssystem den Körper vor dem Verbluten, versteht ihr?« Er hörte sich an, als versuche er, sich selbst mit der Aufzählung von medizinischen Fakten zu beruhigen. »Das müsste eigentlich mit einem Blutverdünnungsmittel schnell behoben sein.«
    Katie hoffte nur, David möge recht behalten, aber sie sprach es nicht aus.
    Außerdem fühlte sie sich plötzlich furchtbar erschöpft. Wenigstens war ihre Hose endlich so weit getrocknet, dass die Nässe nicht mehr unangenehm an der Haut rieb.
    Sie setzte sich neben David und schloss die Augen. Sofort meldeten sich die Gedanken wieder zu Wort, und zwar mit einer eigenen Stimme, die nicht die ihre war. Sie klang hoch und weinerlich, fast ein bisschen hysterisch.
    Schnell öffnete sie die Augen wieder und ihr Blick fiel auf Robert, der im Schneidersitz neben ihr saß. Immer wieder drückte er auf den Kugelschreiber. Die Mine sprang heraus und wieder zurück.
    Das klickende Geräusch nervte.
    Sie lehnte den Kopf zurück und sagte: »Erzähl mir etwas über die Formel, Robert.«
    »Die Mathematik«, begann er, »ist eine faszinierende Wissenschaft.«
    Sie hatte keine Kraft zu protestieren.
    »Sie ist eine Botschaft, versteht ihr? Und Formeln sind zunächst nur ein Versuch, Phänomene zu beschreiben. Aber nicht bei Dave Yellad. Als ich die Notizen zum ersten Mal gesehen habe, habe ich nicht verstanden, was er wollte. Aber je länger wir hier unten sind, desto besser verstehe ich den Sinn. Und ich glaube, auf den Kern des Ganzen stößt man, wenn man die Formel als eine

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