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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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doch nur wilde Tiere für ihn, keine Menschen, und ganz gleich, wie häufig man dieses stumme Gefühl der Harmonie empfand oder feststellte, dass ein Pferd so reagierte, als könne es so denken wie man selbst, es blieben nur Tiere, die dazu abgerichtet wurden, Menschen zu dienen. Dass Bramble dies anders sah, wusste Gorham.
    Bei ihrer täglichen Arbeit kam ihnen diese Meinungsverschiedenheit nicht in die Quere, weil ein Pferd, das richtig gezüchtet und richtig zugeritten worden ist, auch tatsächlich geritten werden, diese Partnerschaft eingehen und sogar hart arbeiten möchte. Deswegen bereitete Bramble sie gerne für ihre Arbeit beim späteren Eigentümer oder zukünftigen Käufer vor. Sie wusste genau, dass Gorham sie nicht an grausame oder dumme Menschen verkaufen würde. Dennoch beunruhigte ihn zuweilen der Gedanke, dass sich ihrer beider Wege wegen der Behandlungsweise trennen würden. Es beunruhigte ihn auch, zumindest vorübergehend, dass er den Hengst ihrer Obhut übergab, doch er schüttelte das Gefühl bald wieder ab. Er versprach Bramble, Acton werde das Leben haben, von dem alle Hengste träumten - keine Arbeit und eine endlose Warteschlange von Stuten zum Decken.
    »Endlos nicht«, wandte Bramble bei einem Ale ein, das sie an jenem Abend in der Sattelkammer des Hengststalles zu sich nahmen. Dabei saßen sie so, dass sie beide sehen konnten, wie Actons Kopf über seine Box herausragte.
»Frühling bis Sommersonnenwende. Danach werden Stuten nicht mehr rossig.«
    »Na also gut«, räumte Gorham ein. »Im Herbst und Winter darf er sich ausruhen. Aber dann wird er es auch nötig haben! Ich habe schon zwölf Anmeldungen für ihn, unsere eigenen sieben nicht eingerechnet.«
    In der Hoffnung, dass hier eines Tages mehr als nur ein Hengst untergebracht sein würde, hatte Gorham den Stall für den Hengst groß und schön gebaut. Der Frühjahrswind kam immer von Osten, sodass sie den Trakt nach dorthin ausrichteten, weit weg von den Fohlenboxen und den Stutenställen, voneinander getrennt durch das Zuchtgehege und obendrein noch von einem Bestand wohlriechender Bäume und Pflanzen. Gorham wollte nicht, dass sein sorgsam erbauter Stall von einem Hengst demoliert wurde, der entschlossen war, zu den Stuten zu gelangen.
    Acton beobachtete sie mit seinen glänzenden Augen und hatte die Ohren aufgestellt, um sie reden zu hören. Seine blonde Mähne leuchtete im Licht der Laterne, und sein Fell glänzte so, wie es nach einer Stunde des Abreibens und Striegelns nur möglich war. Bramble hatte die ganze Zeit dabei für ihn gesungen und geflüstert und gespürt, wie er sich allmählich an den Klang ihrer Stimme gewöhnte und sich darüber freute, gestriegelt zu werden, und später die ständige Wiederholung des Rituals liebte. Mochte es ihm auch nicht gefallen, aufgezäumt und geritten zu werden, so genoss er doch die Vorteile, die der Kontakt mit Menschen ihm einbrachte. Er war intelligenter, als es für ihn gut war, dieser Blödmann, dachte sie. Erstaunt stellte sie fest, wie viel Zuneigung sie ihm bereits entgegenbrachte.
    In den folgenden Monaten wuchs diese Zuneigung. Bramble hatte nie versucht, ihn zu reiten. Ab und zu, wenn Gorham sah, wie schnell Acton auf ihre Pfeife reagierte, die
sie dazu benutzte, um die Pferde vom Feld zu rufen, deutete er an, sie könne ihn doch bei einem Rennen reiten. Aber sie ging auf seinen Vorschlag nie ein. Sie war zufrieden damit, ihn zu versorgen und ihn zu führen, ihn zur Deckstelle zu bringen und hinterher zu beruhigen, und mit ihm Spiele zu spielen. Doch tief in ihrem Inneren hatte sie das Gefühl, dass, wenn er je geritten würde, etwas in ihm und auch in ihr abstarb. Ein Rennen zu gewinnen wäre für Acton eine Schande.
    Gorham erkannte dies, und manchmal, wenn er auf dem Heimweg zu Maude war, zurück in die vier Wände seines Stadthauses und seiner Verantwortung als Stadtrat, war auch er froh darüber, ein Wesen zu kennen, das sich weigerte, gezähmt zu werden. Acton war weder zugeritten noch gebrochen worden; er mochte Bramble einfach, wie es alle Pferde taten, und ging dorthin, wohin sie ging, und er tat, was sie ihm nahelegte, weil er ihr gern eine Gefälligkeit erwies. Jeder andere, selbst Gorham, handelte sich rasch einen Tritt oder einen scharfen Biss ein, wenn er versuchte, Hand an ihn zu legen. So etwas konnte man nicht zahm nennen. Also gab Gorham Maude einen Gutenachtkuss und brach zu seinen Ratssitzungen auf, aber tief in ihm lag die Wildheit von Acton, was manchmal

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