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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Mann, einem behutsamen jungen Mann mit sanften Fingern und weichen Lippen getan hätte. Mein erstes Mal war in Mickleton mit einem fünfzig Jahre alten Gastwirt gewesen, der zwei Töchter hatte, die älter waren als ich, und der wollte, dass ich ihn dabei ständig »Papa« nannte. Rawnie und Rumer bekamen es erst mit, als ich es schon hinter mir hatte, und fanden mich hinter dem Pferdestall, die Finger blau vor Kälte, als ich mich an die Stallwand klammerte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren und mich heftig übergab. Sie hätten es mir abgenommen, hätten sich gewünscht, dass mein erstes Mal sanft und süß würde, wie es bei ihnen gewesen war. Doch ich hatte es nicht zugelassen. Es wäre nicht fair gewesen.

    Ich erinnerte mich an diese Zeit und an andere, als das Obst in jenem Sommer an den Bäumen verfaulte und die Preise dafür in der Stadt ständig stiegen. Ich sah einen langen Winter vor uns und konnte ihm nicht die Stirn bieten.
    Die letzten Sommertage verbrachten wir in Carlion, und es war noch warm und trocken und wunderschön, obwohl es zu spät war, um noch etwas zu ändern. Die Besorgnis nährte unter den Stadtmenschen das Bedürfnis nach Unterhaltung, sodass sie abends die Straßen entlanggingen und auf der Wiese in der Nähe des Brunnens stehen blieben, um zu sehen, wie ich die leuchtenden, silbern bemalten Bälle jonglierte, und um zu hören, wie Rumer und Rawnie liebliche Lieder sangen. »Haltet es glückselig«, hatte ich sie angewiesen. »Die Leute wollen ihre Sorgen vergessen, und dafür brauchen sie uns. Auf diese Art werden sie uns mehr geben.« Dennoch blieb das Kupfergeld spärlich, und das silberne war so selten wie Eier an einem Wallach.
    An einem jener Abende, die sich nicht von anderen unterschieden, entdeckte ich einen jungen Mann, einen gut aussehenden Mann, der hinten in der Menschenmenge stand und zuschaute, während wir drei jonglierten und Purzelbäume schlugen, balancierten und herumwirbelten.
    Die Menge spendete Beifall. Außer Atem sah ich, dass der Mann uns angrinste und ebenfalls heftig klatschte. Er hatte braune Haare, achatgraue Augen und einen großen, seine jugendliche Schlaksigkeit gerade erst ablegenden Körper. Er trug ein Bündel auf dem Rücken, war offenkundig ein Wanderer wie wir auch, doch dabei so gut gekleidet wie ein Kaufmann. Und er hatte Muskeln, wie man sie nur von regelmäßigem Essen und regelmäßiger Arbeit bekommt.
    Er hieß Gorham. Nach Ende der Vorstellung und nachdem wir die wenigen Münzen vom Boden aufgelesen hatten, kam er zu uns herüber. In diesem Augenblick ruhten
seine Augen mit gleicher Freude auf uns dreien, doch ich trat vor, um ihn zu begrüßen. Rumer und Rawnie lächelten einander zu und ließen mir den Vortritt. Später sagte die eine zur anderen: »Das war das erste Mal, dass sie einen infrage kommenden Kerl zumindest anschaute, und das war auch höchste Zeit!« Natürlich glaubten sie, ihr beider Leben und das meine werde leichter, wenn ich Gefallen an einem Mann fände.
    Gorham war Zureiter, sodass sein Lohn nicht davon abhing, wie großzügig sein Publikum war. Er setzte seinen Preis fest, und die Besitzer bezahlten. Niemand tötete ein Pferd wegen eines schlechten Winters; er verkaufte es lediglich an jemanden, der es sich leisten konnte. Und so jung Gorham noch sein mochte, so hatte er sich bereits einen Ruf erworben. Sein ganzes Leben lang war er mit seiner Mutter gereist, einer berühmten Zureiterin. Sogar Rumer hatte schon von Radagund, der Pferdezauberin, gehört, von der es hieß, dass sie Zaubersprüche aus den Western Mountains benutzte, um die Pferde nur durch Zuneigung fest an sich zu binden.
    Gorham lachte über diese Geschichten. »Ja«, sagte er, »so sah das bei meiner Mama aus. Wenn man es bedenkt, sieht es bei mir manchmal auch so aus, allerdings nicht so häufig. Ich glaube, meine Mama war selbst ein halbes Pferd.«
    »Dann fließt also auch in dir Pferdeblut«, sagte ich grinsend.
    »Ja«, sagte er, »das tut es.«
    Er lachte, wie er es häufig tat, und dann küsste er mich. Das war seine Art, erst zu lachen, und sich dann zu holen, was er wollte, wie ein Mann, dem selten etwas verwehrt wird. Radagund hatte ihren Sohn so erzogen, wie sie Pferde erzog, mit endloser Güte und einer festen Hand an den Zügeln. Mit neunzehn war er so schlicht und tröstlich wie ein
Stück Brot, und für mich roch er nach Sicherheit, Zuflucht und Trost. Ich wollte ihn.
    Aber nicht so, wie Rawnie und Rumer ihre jungen Männer

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