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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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doch.«
    »Das musst du aber, wenn du springen willst - zumindest wenn du bei Geschwindigkeit hohe Hindernisse überspringst. Andernfalls wirst du herunterfallen.« Er sah, wie Zweifel über ihre Miene huschten. »Glaube mir«, sagte er. »Du musst dein Gleichgewicht halten, sonst kannst du das Pferd nicht ausbalancieren, und es wird stürzen. Willst du ihm das Bein brechen, weil du Lust darauf hast, ihn ungesattelt zu reiten?«
    Es waren nicht so sehr die Worte als vielmehr der Ton, der sie überzeugte. Diesen Ton schlug er nämlich auch bei frechen zweijährigen Pferden an, die glaubten, ihn hinters Licht führen zu können. Bramble musste lachen. Aber sie zog los und holte den Sattel. Als sie ihn dem Rotschimmel auflegte, legte dieser resigniert die Ohren an, als habe er immer schon gewusst, dass die ungesattelten Tage zu schön waren, um auf Dauer Bestand zu haben.
    An jenem ersten Übungstag schwang sich der Rotschimmel über die niedrigen Baumstämme, als seien sie gar nicht da. Bramble, die fest im Sattel saß, spürte die Bewegung kaum. Anders als sie gehofft hatte, lichtete sich der Nebel zwar nicht, doch dies war ja nur der erste Schritt. Wenn sie Rennen ritt, würde sie wieder lebendig werden, musste es einfach.

    »Nun, du könntest Glück haben«, sagte Gorham. »Wie es scheint, hat er so etwas schon getan. Ich würde sagen, er weiß, wie er sich daranmachen muss.«
    Er legte die nächste Stufe auf die Hindernisse auf. Das Pferd meisterte sie locker - es war Bramble, die diese Fähigkeiten an jenem Tag noch erlernen musste, und auch an denen, die folgten, und an denen die Hindernisse höher wurden.
    »Halte dein Gewicht über seinem Schwerpunkt. Nein - nach vorn!«, rief Gorham. »Leg die Ellbogen an - sonst packt dich einer der anderen Reiter daran und hebelt dich aus.«
    Sie hielt inne und starrte ihn an. Als der Rotschimmel bemerkte, dass sie abgelenkt war, schnappte er sich einen Mund voll Gras.
    »Was denn, hast du geglaubt, das da draußen sei eine nette Familie?« Gorham lachte. »Sie wollen unbedingt gewinnen, und einigen ist es egal, wie. Der siegreiche Reiter erhält nämlich eine Börse Silber.«
    Bramble nickte und lächelte verkrampft. Flüchtig dachte sie daran, wie ihr Fuß den Kopf jenes Mannes hatte zurückschnellen lassen. Wer immer sich mit ihr einließ, würde mehr bekommen, als er austeilte, dachte sie. Dann verdrängte sie den Gedanken und konzentrierte sich darauf, sich zusammengekauert in die Steigbügel zu stellen, um ihr Gewicht nach vorne zu verlagern.
    »Es geht nicht bloß um das Springen«, sagte Gorham immer wieder, wenn sie Sattel- und Zaumzeug reinigten oder die Ställe ausmisteten. »Es geht um Strategie und Gerissenheit und darum, zu wissen, wann man sein Pferd drängt und wann man ihm eine Pause gönnt.«
    Bramble schüttelte den Kopf. »Kann sein. Kann aber auch sein, dass es bloß darum geht, schneller als alle anderen zu sein.«

    Gorham sah sie kopfschüttelnd an, musste dabei aber kichern. »Wenn du kannst, Mädchen, wenn du kannst.«
    Gorham besaß ein lang gezogenes, nicht eingezäuntes Stück Land, das an den Wald grenzte, eine ebene, kaninchenfreie Wiese, kurz geschoren von Schafen, die jeden Abend von dem benachbarten Bauern eingepfercht wurden. Dort hatte sie den Rotschimmel am Morgen nach dem Jagdrennen auf die Probe gestellt, gleich bei Sonnenaufgang.
    Natürlich war sie schon vorher auf dem Rotschimmel galoppiert, wie hätte sie widerstehen können? Aber die Renngeschwindigkeit verhielt sich zum alltäglichen Galopp wie eine blühende Rose zu einer zarten Knospe. An jenem Morgen, an dem sie ihn beruhigte, um wie bei einem Rennen mit einem stehenden Start zu beginnen, glaubte sie vergessen zu haben, wie es war, die Welt wahrhaftig zu betrachten. Der Nebel war immer noch um sie, doch nun war ein Riss darin, durch den sie schauen, ja sogar fühlen konnte.
    In der herbstlichen Luft lag der schwere Geruch von Lehm und Pilzen; sie war feucht und verhieß einen schönen Tag. Es war noch so früh, dass nicht einmal die Drosseln sangen. Das Pferd bewegte sich wie eine Verlängerung ihrer Gliedmaßen, sodass sie sich so stark, so wild, so flink, so urwüchsig fühlte wie es. Sie saß entspannt auf ihm, es war ein Moment perfekter Ausgeglichenheit und völliger Ruhe. Dann presste sie fest mit den Beinen und sagte »Geh!« und dann, fester pressend, »Schneller!« und schließlich » Schneller!«, beugte sich an seinem Nacken hinab und spürte, wie das Hochgefühl,

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