Die Prophezeiung des Adlers
weiter, während die Kolonne über die Hauptstraße Ravennas zum Hafen marschierte. Wie in den meisten Provinzstädten waren die Straßen schmal, und die wenigsten Gebäude hatten mehr als zwei Stockwerke. Schon bevor sie das Wasser erreichten, sah Cato einen dichten Wald von Masten und Takelagen, die sich im Hafenbecken drängten. Auf dem Hauptkai saßen Dutzende von Matrosen herum und blickten auf die Schiffe hinaus, die im sacht schwappenden Wasser dicht an dicht festgemacht hatten. Sie standen auf, als die Rekruten vorbeimarschierten, und starrten sie mit unverhohlener Feindseligkeit an.
»Ich verstehe nicht«, sagte Cato. »Ich dachte, die Schiffe hätten versucht, so weit wie möglich von den Piraten wegzukommen. In Ariminum lagen nur eine Handvoll Schiffe.« Er umfasste den Hafen mit einer Handbewegung. »So viele Schiffe habe ich noch nie zuvor gesehen. Haben sie denn keine Angst vor den Piraten?«
»Doch, natürlich, junger Mann.« Minucius grinste. »Und genau deshalb sind sie ja hier. Wo könnte man sicherer liegen als unmittelbar neben einem Marinestützpunkt? Dort drüben ist die Garantie für ihren Schutz.«
Cato folgte dem Arm, den Minucius ausgestreckt hatte, und sah, worauf er zeigte. Am Ende des Kais befand sich ein großes, befestigtes Tor, das zur Marinewerft führte. Im Wasser des Marinehafens lag eine Flotte schlanker Kriegsschiffe vor Anker. Er zählte über dreißig. Die meisten waren kleine Patrouillenfahrzeuge, aber weiter draußen lag ein Geschwader größerer Triremen, die das Rückgrat der römischen Flotte darstellten. Jede Tr ireme verfüg te über drei Reihen Ruderbänke auf jeder Seite, und am Bug und am Heck erhoben sich befestigte Türme, auf denen Katapulte standen. Am Bug jedes Schiffs ragte ein großer, bronzebeschlagener Rammsporn hervor.
Hinter den Triremen schwamm eine noch größere Galeere. Cato stellte sich auf dem Wagen hin und zeigte darauf. »Was ist das?«
»Das ist die Horus , unser Flaggschiff. Eine Quinquireme, also ein Fünfer, wie wir das nennen. Hat eine bemerkenswerte Geschichte hinter sich. Sie war das Flaggschiff von Marcus Antonius. Bei Actium wurde sie erobert und von Augustus der kaiserlichen Marine eingegliedert. Sie ist stabil gebaut und robust wie altes Stiefelleder. Es gibt kein Schiff, das mit ihr mithalten könnte.«
Cato betrachtete die Horus noch ein wenig länger und setzte sich dann wieder, als die Kolonne über den Kai zum Tor des Marinestützpunkts marschierte. Die Matrosen und Hafenarbeiter am Rande ihres Wegs näherten sich von beiden Seiten und beobachteten sie in bitterem Schweigen.
Eine Stimme rief: »Wann wollt ihr endlich was gegen diese Piraten unternehmen?«
Der Vorwurf wurde rasch von anderen Stimmen aufgegriffen, und bald waren die Marineinfanteristen und ihre Offiziere von wütenden Rufen und geschüttelten Fäusten umgeben. Die Rekruten blickten sich nervös um.
»Augen nach vorn!«, brüllte Minucius. »Augen nach vorn, habe ich gesagt. Achtet nicht auf diese Bastarde.«
Ein Dreckklumpen flog durch die Luft und traf den Centurio an der Schulter. Er biss die Zähne zusammen und starrte geradeaus. Unglückseligerweise wirkte der Wurf aber als Vorbild, und plötzlich flogen zahllose Schlamm- und Kotklumpen und anderer stinkender Abfall durch die Luft. Die Geschosse regneten auf die unglückseligen Marineinfanteristen und ihre Offiziere herunter. Die Männer vorne in der Kolonne stockten, als sie versuchten, sich vor dem Bombardement zu schützen, und Minucius stand auf und legte die Hände trichterförmig an den Mund.
»Weitermarschieren, ihr da vorn! Nicht stehen bleiben, verdammt noch mal!«
Die Optios hieben mit ihren Stöcken nach den Männern, und diese schritten rascher aus. Minucius öffnete die Lippen, um weitere Ermutigungen zu rufen, doch unter Macros Augen flog ein Kotklumpen durch die Luft und traf den Centurio direkt in den Mund. Bei diesem Anblick brachen die nächststehenden Städter in spontanes Gelächter aus.
Minucius duckte sich, spie aus und wischte sich die Lippen mit dem Ärmel ab. »Falls ich jemals den Drecksack erwische, der dafür verantwortlich ist, sorge ich dafür, dass er bis ans Ende seiner verdammten Tage Scheiße frisst.«
Macro, der sich vergebens abmühte, ein ernstes Gesicht zu wahren, stieß Cato an. »Ich dachte, so was passiert nur mir.«
»Es ist dir auch passiert. Schau.« Cato zeigte auf seine Tunika, und als Macro einen Blick nach unten warf, sah er einen hässlichen braunen
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