Die Prophezeiung von Umbria
veranstalten. In dem engen Hinterhof des Gasthofs, mitten in Westborne, war es nichts als eine gefährliche Dummheit.
Etwas zupfte sie am Ellbogen.
“Kommt, Lady.” Der Junge, Schlange, beugte sich über sie. “Ihr müsst hier weg – sofort. Folgt mir!”
“Nein!” Maura hatte es endlich geschafft, wieder auf die Füße zu kommen. “Wir müssen Rath helfen.”
Schon tauchten die Anwohner in den verschiedenen Hauseingängen auf.
Die knochigen Finger von Schlange umklammerten ihr Handgelenk mit erstaunlicher Kraft. “Kommt jetzt mit mir! Ich kenne diese Stadt. Es gibt einen Ort, wo ihr Euch bis zum Anbruch der Dunkelheit verbergen könnt.”
“Nimm Angareth mit.” Maura versuchte sich seinem Griff zu entziehen. “Rath braucht mich.”
Doch hartnäckig klammerte sich der Junge an sie. “Es nützt ihm aber nichts, wenn Ihr ebenfalls von den Han geschnappt werdet. Und das wird geschehen, wenn Ihr mir jetzt nicht folgt!”
Widerstrebend musste sie sich eingestehen, dass der Junge recht hatte. Das Gleiche hätte Rath ihr auch gesagt, wenn er hier gewesen wäre.
Vielleicht spürte Schlange, dass er sie schon fast überzeugt hatte. “Wartet ab, was geschehen wird. Vielleicht schafft er es ja, zu entkommen. Und falls sie ihn fangen, habt Ihr eine bessere Chance, ihm zu helfen, wenn die ganze Aufregung sich erst einmal gelegt hat.”
“Bitte”, flehte Angareth, “Lasst uns von hier fortgehen, bevor noch mehr Han auftauchen!”
Das Mädchen schien dem Zusammenbruch nahe. Schließlich hatte Rath bereits bewiesen, dass er sehr gut für sich selbst sorgen konnte. Er hatte das alles inszeniert, um ihr die Gelegenheit zur Flucht zu geben. Und er wäre sicher nicht sehr erfreut, wenn sie sie nicht ergreifen würde.
“Gut dann! Führe uns zu diesem Versteck, Schlange.”
Als der Junge ihren Arm losließ, suchte Maura in ihren Taschen nach Wahnsinnsfarn und Spinnenseide. Sie wollte vorbereitet sein, sollte sich ihnen irgendjemand in den Weg stellen.
Wenn sie früher an so etwas gedacht hätte, müsste Rath jetzt nicht um sein Leben rennen.
Gut! Die beiden Han jagten ihn. Rath hatte gehofft, wenigstens einen von den beiden fortzulocken, so dass Maura sich nur gegen einen wehren musste. Dass ihn jetzt alle beide verfolgten, war noch besser.
Nun – vielleicht auch nicht.
Die Han schienen jeden Winkel und jede Ecke in diesem Dorf zu kennen. Er nicht.
Er hörte sie nach Verstärkung brüllen. Er hatte niemanden, mit dessen Hilfe er rechnen konnte – außer Maura und Blen. Aber gerade die wollte er nicht mit hineinziehen.
Die Jahre als Gesetzloser hatten ihn gelehrt, schnell zu rennen und schnell zu denken. So schnell wie jetzt hatte er noch nie sein müssen. Er übersprang einen Zaun, kroch unter einer Leine voller Wäsche hindurch, erkletterte eine raue Steinmauer und sprang auf der anderen Seite hinunter.
Wenn er nur ein Versteck finden würde, wo er sich bis zum Anbruch der Nacht verstecken könnte.
Als er einen Hühnerstall entdeckte, der ein wenig erhöht gebaut worden war, um Räubern das Handwerk zu erschweren, kroch er kurz entschlossen darunter.
Als der Gestank ihm in die Nase drang, musste er sich übergeben. Trotzdem wäre er hier geblieben, wenn er nicht die schrille Stimme einer Frau vernommen hätte. “Da ist er, unter dem Hühnerstall! Packt ihn!”
Rath rollte sich unter dem Stall hervor, sprang auf die Füße und rannte in eine Richtung, aus der er keine Han hörte.
Er lief geduckt in eine Gasse, kletterte an einem Regenrohr hinauf und balancierte über den Dachfirst. Dicht vor ihm zischte ein Pfeil an ihm vorbei. Wäre er auch nur ein wenig schneller gerannt, wäre es aus mit ihm gewesen. Der Schuss erschreckte ihn. Nur einen Augenblick zögerte er – und verlor das Gleichgewicht. Er rutschte an dem steilen Dach hinunter. Seine Hände suchten nach irgendeinem Halt, doch sie griffen ins Leere.
Während er stürzte, hatte er nur einen Gedanken. Es war mehr eine Bitte, für den Fall, dass ein Allgeber existierte und er seine Gedanken lesen konnte.
“
Lass mich so hart aufschlagen, dass ich es nicht überlebe.”
Alles andere wäre schlimmer.
Als der Lärm auf der Straße endlich nachließ, befürchtete Maura das Schlimmste.
Sie und Angareth kauerten in einer Höhle, die unter einer Brücke in die Uferbank gegraben war. Sie hatte Schlange losgeschickt. Er sollte versuchen zu erfahren, was geschehen war, und außerdem ihre Bündel von Blens Karren holen. Während sie auf seine
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